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Bundesrat beschließt Kauf von F35 und Patriot

Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, wird dem Parlament die Beschaffung von 36 Kampfflugzeugen des Typs F-35A des US-Herstellers Lockheed Martin und den Kauf von 5 Feuereinheiten des Typs Patriot des US-Herstellers Raytheon vorschlagen. „Die beiden Systeme erzielten in der Evaluation den höchsten Gesamtnutzen und gleichzeitig die tiefsten Gesamtkosten“, schreibt das schweizerische Verteidigungsministerium VBS in einer aktuellen Mitteilung.

Der Bundesrat sei überzeugt, dass sich die beiden Systeme am besten eigneten, die Schweizer Bevölkerung auch in Zukunft vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen, heißt es weiter. Die Entscheide habe er in seiner Sitzung vom 30. Juni gefällt. In Schweizer Medien war bereits vor Wochen spekuliert worden, dass die F-35 als Gewinner aus dem Wettbewerb hervorgehen würde.

Technische Evaluation als Datengrundlage

Der Bundesrat stützt seinen Entscheid den weiteren Angaben zufolge auf die umfangreiche technische Evaluation, in die vier Kandidaten für ein neues Kampfflugzeug (Eurofighter von Airbus, Deutschland; F/A-18 Super Hornet von Boeing, USA; F-35A von Lockheed Martin, USA; Rafale von Dassault, Frankreich) sowie zwei Kandidaten für die bodengestützte Luftverteidigung größerer Reichweite (Bodluv GR-System) einbezogen wurden. Hier waren SAMP/T von Eurosam, Frankreich, und Patriot von Raytheon, USA, gegeneinander angetreten.   Die Schweizer hatten ein Finanzvolumen von maximal 6 Milliarden CHF für die Flugzeuge und 2 Milliarden CHF für das Bodluv-System als fixen Rahmen vorgegeben. Beschafft werden sollen die beiden Systeme bis zum Jahr 2030.

Laut VBS haben alle Kandidaten die Anforderungen für die Schweiz erfüllt. Sowohl bei den Kampfflugzeugen als auch beim Bodluv GR-System habe die Evaluation für jeweils einen Kandidaten den höchsten Nutzen und gleichzeitig die tiefsten Kosten ergeben.

Bei den Kampfflugzeugen handelt es sich dabei um den Kampfflieger F-35A. Er weist laut VBS mit 336 Punkten den höchsten Gesamtnutzen auf, dies mit einem deutlichen Abstand von 95 und mehr Punkten zu den anderen Kandidaten. Bei drei der vier Hauptkriterien schneidet das Flugzeug demzufolge am besten ab.

In der Wirksamkeit erreicht der F-35A das beste Resultat durch seinen ausgeprägten technologischen Vorsprung gegenüber den anderen Kandidaten. Darauf basierend verfüge das Flugzeug über neuartige, sehr leistungsfähige und umfassend vernetzte Systeme zum Schutz und Überwachung des Luftraums. „Damit erreicht der F-35A die Informationsüberlegenheit und ermöglicht den Pilotinnen und Piloten besser als bei den anderen Kandidaten ein überlegenes Situationsbewusstsein in allen Aufgabenbereichen“, heißt es in der Mitteilung. Dies gelte insbesondere auch für den alltäglichen Luftpolizeidienst. Wie auf einer heute veranstalteten Pressekonferenz des VBS zur Auswahlentscheidung erläutert wurde, erlaubt es der große interne Treibstoffvorrat des US-Fliegers, im Luftpolizeidienst länger in der Luft zu bleiben. Flugzeuge älterer Generationen müssten für diese Aufgabe dagegen externe Tanks mitführen, was die Steigleistung beinträchtige. Dadurch ziehe der F-35A in diesem Punkt gleich.

Darüber hinaus sei einzig der F-35A von Grund auf so konstruiert, dass ihn andere Waffensysteme nur schwer erfassen könnten. Die daraus resultierende hohe Überlebensfähigkeit sei für die Schweizer Luftwaffe ein besonderer Vorteil.

Weniger Flugstunden erforderlich

Zudem verändern die vergleichsweise einfache Systembedienung und die Informationsüberlegenheit des F-35A die Trainingsinhalte und das Verhältnis der Flug- zu den Simulatorstunden, wie bei der Evaluation ermittelt wurde. Dadurch sind nach Einschätzung der Schweizer Experten rund 20 Prozent weniger Flugstunden notwendig als bei den anderen Kandidaten und rund 50 Prozent weniger Start- und Landungen als mit den heutigen Jetflugzeugen der Luftwaffe. Auch hier ist nach den auf der Pressekonferenz gemachten Aussagen der interne Treibstoffvorrat maßgeblich dafür, dass die Flugzeuge länger in der Luft bleiben und damit Trainingszeiten verlängert werden können.

Schließlich sei beim F-35A als modernstes Waffensystem davon auszugehen, dass sein Technologievorsprung bis weit in Zukunft Bestand haben wird – ein Vorteil gegenüber den anderen Kandidaten.

Im Produktesupporterzielt der F-35A die höchste Bewertung aufgrund des effizienten Betriebs und der Instandhaltung, einer fortschrittlichen Ausbildung und der hohen Versorgungssicherheit während der gesamten Nutzungsdauer. Diese sei auch darauf zurückzuführen, dass der F-35A in der höchsten Stückzahl produziert wird und auch in Europa von der größten Anzahl Länder eingesetzt wird. Nach Angaben der armasuisse wird durch ein umfangreiches Logistikpaket sichergestellt, dass der US-Flieger auch bei geschlossenen Grenzen für sechs Monate weiter betrieben werden kann.

Auch in der Kooperation weise der F-35A das beste Resultat auf. Er bietet umfassende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit beim Betrieb und einen breiten Zugang zu Daten und fachtechnischen Ressourcen.

Im direkten Offset erreicht das Konzept des F-35A zum Zeitpunkt der Offert-Einreichung allerdings nicht das beste Resultat. Die Offsetverpflichtung von 60 Prozent des Auftragswerts ist bis spätestens 4 Jahre nach der letzten Lieferung restlos zu erfüllen.

Was die Flottengröße betrifft, deckt bei allen vier Kandidaten die Anzahl von 36 Flugzeugen den Bedarf für den Schutz des Luftraums in einer anhaltenden Situation erhöhter Spannungen.

Datenautonomie gewährleistet

In seinem Entscheid hat der Bundesrat auch die technologischen Abhängigkeiten von Hersteller und Herstellerland berücksichtigt. Abhängigkeiten können nicht ganz ausgeschlossen werden, wenn Systeme beschafft werden, räumt das VBS zwar ein. Allerdings habe sich gezeigt, dass alle Kandidaten die erforderliche Datenautonomie gewährleisten. Beim F-35A sei insbesondere die Cybersicherheit sehr gut sichergestellt, weil das Cybermanagement, die Sicherheit der Rechnerarchitektur und die auf Cyberschutz ausgerichteten Maßnahmen umfassend gewährleistet sind.

Wie bei allen anderen Kandidaten bestimme auch beim F-35A die Schweiz selbst, welche Daten sie über Datenlinkverbindungen mit anderen Luftwaffen austauscht oder welche logistischen Daten an den Hersteller zurückgemeldet werden. Zudem erfolgen Betrieb und Instandhaltung des Flugzeuges in der Schweiz durch die Luftwaffe und RUAG Schweiz.

F-35A deutlich günstiger als die Konkurrenten

Nebst dem Nutzen hat der F-35A auch bei den Kosten mit Abstand das beste Resultat erzielt. Sowohl Beschaffung als auch Betrieb seien für dieses Flugzeug am günstigsten. Die Beschaffungskosten belaufen sich zum Zeitpunkt der Angebote im Februar 2021 auf 5,068 Milliarden CHF. Sie liegen damit klar im vorgegebenen Finanzvolumen von 6 Milliarden CHF. Auch wenn die Teuerung bis zum Zahlungszeitpunkt hinzugerechnet werde, liegen die Beschaffungskosten im Kreditrahmen.

Der F-35A ist laut Evaluation zudem auch bei den Betriebskosten das günstigste Flugzeug aller Anbieter. Die Gesamtkosten, welche aus den Beschaffungs- und den Betriebskosten bestehen, betragen beim F-35A über 30 Jahre gerechnet rund 15,5 Milliarden CHF. Der Unterschied zum zweitgünstigsten Kandidaten liegt im Bereich von 2 Milliarden Franken. Konkrete Angaben zu den Kosten einer Betriebsstunde der vier evaluierten Flugzeuge wollte die armasuisse auf der Pressekonferenz nicht machen.

Patriot mit deutlichen Vorteilen

Beim System zur bodengestützten Luftverteidigung größerer Reichweite hebt sich Patriot laut VBS in allen vier Hauptkriterien teilweise deutlich und insbesondere beim Hauptkriterium Wirksamkeit markant gegenüber dem Konkurrenzprodukt SAMP/T ab. Das System sei in der Lage, sowohl selbstständig als auch in Kombination mit den Kampfflugzeugen Räume zu schützen. Es erreicht den Angaben zufolge eine Einsatzhöhe von deutlich über 20.000 Metern (vertikal) sowie eine Einsatzdistanz von weit über 50 Kilometern (horizontal). Dies sei im Kontext von Bodluv-Systemen größerer Reichweite eine außerordentlich große Einsatzdistanz.

Für die Verteidigung der abzudeckenden Fläche von 15.000 Quadratkilometern sind den Berechnungen zufolge fünf Patriot-Feuereinheiten notwendig. Eine davon dient als Umlaufreserve.

Bei den Kosten liegt Patriot außerdem unter dem Konkurrenzangebot. Die Beschaffungskosten inklusive Teuerung und Mehrwertsteuer bis zum Zahlungszeitpunkt belaufen sich für Patriot laut Evaluation auf 1,97 Milliarden CHF. Zusammen mit den berechneten Betriebskosten über 30 Jahre betragen bei Patriot die Gesamtkosten rund 3,6 Milliarden CHF. Damit sei das System deutlich günstiger als der andere Kandidat. Die Offsetverpflichtung von 100 Prozent des Auftragswerts ist bis spätestens 4 Jahre nach der letzten Lieferung restlos zu erfüllen.

Externe Prüfung der Ergebnisse

Die schweizerische Verteidigungsministerin, Bundesrätin Viola Amherd, hat hinsichtlich der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge die Zürcher Anwaltskanzlei Homburger AG mit einer so genannten Plausibilisierung beauftragt. Diese Plausibilitätsprüfung bezog sich laut VBS auf die Methodik der Bewertung, Zuschlagskriterien sowie die finanzielle Beurteilung der Angebote, unter Berücksichtigung des vom Volk genehmigten Planungsbeschlusses. Homburger sei im Rahmen dieser Prüfungen zum Schluss gelangt, dass die Rangfolge der Anbieter gemäß Kosten-Nutzenanalyse der armasuisse im Evaluationsbericht plausibel ist.

Amherd wies in der Pressekonferenz darauf hin, dass die Angaben zu den Betriebskosten der Systeme in den zu schließenden Verträgen berücksichtigt werden. Sollte der Anbieter von seinen Zusagen abweichen, könne man dagegen rechtlich vorgehen. Die Amtschefin betonte, dass politische Überlegungen bei der Auswahl keine Rolle gespielt haben. Diese wären ihren Worten zufolge nur berücksichtigt worden, falls bei der Evaluation ein nicht eindeutiges Ergebnis vorgelegen hätte.
lah/12/30.6.2021

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