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Verzögerungen bei Projektumsetzung

In der letzten regulären Sitzung des Verteidigungs- und Haushaltsausschusses vor den Wahlen am kommenden Mittwoch sollen die Fachpolitiker des Bundestages insgesamt 27 so genannte 25-Mio-Vorlagen behandeln. Nicht nur die große Zahl der zu genehmigenden Rüstungsprojekte ist bemerkenswert, sondern auch deren Finanzvolumen.

So befinden sich darunter zahlreiche Großprojekte wie das New Generation Weapon System – bestehend aus einem neuen Kampfflugzeug und so genannten Remote Carriers –  im Future Combat Air System (FCAS), das Aufklärungsprojekt Pegasus, Tanker, Flottendienst- und U-Boote, Radare für Schiff und Land, neue Seefernaufklärer sowie Seezielflugkörper. Insgesamt dürften sich die Kosten für diese Vorhaben auf eine zweistellige Milliardensumme addieren.

Zuvor war das Verteidigungsministerium vom üblichen Verfahren abgewichen, die 25-Mio-Vorlagen über die Sitzungswochen zu verteilen und hat stattdessen auf den großen „Showdown“ am letzten Sitzungstag gesetzt. Dabei ist nicht von vorneherein klar, ob alle Rüstungsprojekte die Ausschüsse passieren werden. Diese Unsicherheit hat offenbar auch Auswirkungen auf die Finanzierung anderer Vorhaben – etwa der Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO). Im Rahmen von D-LBO sollen die deutschen Landstreitkräfte nach Jahren der Verzögerung mit modernen Führungsmitteln ausgestattet werden, die sowohl digitale Funkgeräte zur Sprach- und Datenübertragung als auch eine zeitgemäße Software umfassen.

Aufgrund der unklaren Finanzlage im Einzelplan 14 verschieben sich nun allerdings die Zeitpläne bei D-LBO. So ist bislang die Ausschreibung für das neue Führungsfunkgerät – früher als Combat Net Radio bezeichnet – nicht wie ursprünglich geplant erfolgt. Der Beginn des Teilnahmewettbewerbs sollte eigentlich bis Anfang Mai erfolgen, nachdem es zuvor bereits aufgrund der Corona-Situation zu Verzögerungen gekommen war.

Auch die nächste Stufe im Vergabeverfahren für UHF-Soldatenfunkgeräte, das im November vergangenen Jahres gestartet wurde, steht noch aus. So wurden die nach dem Teilnahmewettbewerb verbliebenen Unternehmen noch nicht zum Angebot aufgefordert.

Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, hat sich an der Prozessplanung und den Inhalten der Ausschreibungen bislang jedoch nichts geändert. Sollte also das Verteidigungsministerium grünes Licht geben, könnte das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw sofort die nächsten Schritte einleiten. Bei Redaktionsschluss waren Beobachter jedoch der Meinung, dass das BMVg nach der letzten Bundestags-Sitzung zunächst noch einmal die Finanzlage umfassend bewerten würde, bevor es bei D-LBO den Prozess fortsetzt.

Was die Verzögerung für das Digitalisierungs-Projekt bedeutet, ist schwer vorauszusagen. So sind für die 27 auf der Liste für den Verteidigungs- und Haushaltsausschuss gesetzten 25-Mio-Vorhaben nicht ausreichend Mittel im Einzelplan 14 vorgesehen. Dazu heißt es in der Vorlage für das französisch-deutschen Prestigeprojekt FCAS: „Die erforderlichen Haushaltsmittel und die notwendige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von rund 4.468 Mio Euro stehen daher für das Projekt NGWS/FCAS im Einzelplan 14 nicht zur Verfügung.“

Wenn also für dieses mit großer Symbolik aufgeladene Vorhaben eigentlich kein Geld im Verteidigungshaushalt bereitsteht, was bedeutet dies für das deutlich weniger publikumswirksame Projekt D-LBO, das auch einen erheblichen Finanzbedarf aufweist? So wird allein für den UHF-Soldatenfunk mit einem langfristigen Bedarf von rund 15.000 Funkgeräten kalkuliert.

Für die Fortführung von D-LBO – wie ursprünglich geplant –  spricht allerdings, dass die Spitze der Bundeswehr einen dringenden Bedarf für moderne Führungsausstattung sieht.

Laut dem Eckpunktepapier von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Eberhard Zorn, das im Mai vorgelegt wurde, haben einige Fähigkeiten aufgrund ihrer Bedeutung für die Landes- und Bündnisverteidigung sowie des dringenden Modernisierungsbedarfs schon jetzt Priorität. „Es gilt eine durchgehende, leistungsfähige, interoperable Führungsfähigkeit von der strategischen bis zur untersten taktischen Ebene zu etablieren“, heißt es in dem Dokument. Und weiter: „Akuter Handlungsbedarf besteht auf den taktischen Ebenen. Hier wird zügig eine Führungsfähigkeit hergestellt, die eine hochmobile Operationsführung der Streitkräfte in allen Dimensionen und Intensitäten im multinationalen Verbund gewährleistet.“ Technische Möglichkeiten seien im Kontext von Zeit-, Personal- und Finanz – bedarf auf ihren faktischen Mehrwert hin zu bewerten und zu erproben.

Auch aus Kreisen des Heeres ist zu hören, dass die Führungsfähigkeit als das absolute Top-Thema gilt. Werde die Führungsfähigkeit nicht hergestellt, könnten auch moderne Systeme wie der Schützenpanzer Puma, der Kampfpanzer Leopard oder die Artillerie nicht effizient eingesetzt werden, heißt es.

Neben den beschriebenen Beschaffungsvorhaben im Bereich Kommunikation sollten in diesem Jahr noch weitere D-LBO-relevante Projekte angestoßen werden. Dazu gehört die Beschaffung neuer HF-Funktechnik, Satellitenkommunikation sowie mobiler zellularer Netze. Auch diese Projekte sind bislang dem Vernehmen nach „on hold“.

Dennoch scheint es bei kleineren Komponenten Fortschritte zu geben. So ist offenbar die Programmierung der Schnittstelle zwischen dem Battle-Management-System (BMS) Sitaware Frontline des dänischen Anbieters Systematic und dem Soldaten-BMS Tacnet bereits beauftragt worden. Die abgesessenen Panzergrenadiere der für die VJTF 2023 zertifizierten Schützenpanzer Puma nutzen für die Kommunikation mit dem Fahrzeug das System Tacnet von Rheinmetall, während die Pumas selbst über Sitaware Frontline ans Bataillon angebunden sind. Hier besteht bisher lediglich eine „Drehstuhlschnittstelle“, die durch die Programmierung eines automatischen Übergangs zwischen beiden BMS ersetzt werden soll. Beide Unternehmen werden in Fachkreisen auch als mögliche Bieter bei einer noch ausstehenden Ausschreibung eins Soldaten-BMS für D-LBO gesehen.
lah/18.6.2021

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