Ukrainische Analyse russischer UGV

Kristóf Nagy

Anzeige

Die ukrainischen Streitkräfte haben bereits im Oktober 2024 eine Analyse unbemannter russischer Bodensysteme (UGV) vorgestellt. Das nicht eingestufte Dokument mit dem Titel „Erfahrungen mit der Verwendung von bodengestützten Robotersystemen der russischen Föderation“ liegt hartpunkt vor und beinhaltet einige interessante Aussagen.

Eingangs untersucht das Dokument die taktische Nutzung von UGV auf der russischen Seite. Wenig überraschend ist die Verwendung für die Aufklärung und Überwachung von Räumen eines der wichtigsten Nutzungsfelder. So werden mit Tag- und Nachtsichtkameras ausgestattete UGV teilweise in einer vorgeschobenen, quasistatischen Rolle für die längere Überwachung noch vor den eigenen Linien verwendet, um das Situationsbewusstsein zu erhöhen. Das zweite, überaus relevante Nutzungsprofil liegt im Bereich der Logistik. Eine begleitende Verwendung als unbemannter Lastenträger im Verbund mit Infanterie, etwa bei einem Angriff ist weniger zu beobachten. Stattdessen werden die Systeme zur Versorgung von vorzugsweise exponierten Stellungen mit Munition und anderem Material, bzw. zur Evakuierung von Verwundeten verwendet. Als ein Beispiel wird das verhältnismäßig neue Tosha TX 45SM angeführt, welches mit einem Leergewicht von 350 kg bis zu einer Tonne Traglast mitführen kann und eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erreicht. Das relativ fortschrittliche Fahrzeug mit einer integrierten Kollisionsvermeidung soll auch für weitere Aufgaben weiterentwickelt werden.

Anzeige

Auch das Räumen bzw. Verlegen von Minen ist eine wichtige Aufgabe. Insbesondere die Minenräumung ist bereits in der frühen Phase des Konfliktes belegt. Vornehmlich das bereits in Syrien erfolgreich erprobte Uran-6-System kam bereits 2022 in der Region von Mariupol, jedoch nur hinter den eigenen Linien, vermehrt zur Minenräumung zum Einsatz. Die Verwendung der Uran-6, primär in der Region Saporischschja in der Offensivrolle, noch vor den eigenen Angriffskräften bewertet die ukrainische Analyse jedoch als Misserfolg. Demnach sind die verhältnismäßig langsamen Fahrzeuge in einer frühen Phase des Angriffs aufgeklärt und durch den koordinierten Einsatz von Artillerie und FPV-Drohnen vernichtet worden, bevor sie einen nennenswerten Bereich des ukrainischen Minenfeldes hätten räumen können.

Anzeige

Wenig überraschend zeigt das ukrainische Dokument auch die stetig wachsende Zahl von unbemannten Gefechtsfahrzeugen auf. Dabei wird zwischen Effektor- und Ladungsträgern unterschieden. Analog zu den unbemannten Luftfahrzeugen (UAS) wird letztere Kategorie oftmals reißerisch als „Kamikaze-UGV“ bezeichnet. Ein prominentes Beispiel ist das von Rostec entwickelte UGV Lyaguschka (Frosch). Die verhältnismäßig einfache und günstig zu fertigende Plattform verfügt über eine FPV-Steuerung und kann mit unterschiedlichen Ladungen in Form von Sprengstoff oder auch Artilleriegranaten, je nach Auftrag und Verfügbarkeit beladen werden. Der erfolgreiche Einsatz dieser Bodensysteme gegen ukrainische Feldbefestigungen ist bereits im Sommer 2024 dokumentiert worden.

Im Bereich der effektortragenden UGV ist die Spannweite ebenfalls groß und stetig ansteigend. Beachtlich ist jedoch die Einschätzung der ukrainischen Seite zu dem UGV des Typs Uran-9, welcher bei seiner Feuertaufe in Syrien eine relativ schwache Leistung zeigte. Durch die angepasste Nutzung des Fahrzeugs im offenen Gelände und der Koordinierung mit Artillerie sei der Uran-9 insbesondere in der Region um Bachmut vergleichsweise effektiv eingesetzt worden. Dies gelte auch für kompaktere Waffenträger wie die von Kalaschnikow entwickelte BAS-01G Soratnik oder der vielseitig einsetzbare Kuryr.

Fazit

Der große Einfluss auf die Kriegsführung, wie er bei den unbemannten Luftfahrzeugen zu beobachten ist, konnte bei Einsatz von UGV bis dato nicht beobachtet werden. Dennoch ist die UGV-Nutzung einem Wandel und einem damit verbundenen Anwachsen der Bedeutung für die Gefechtsführung verbunden. Ihr Nutzen hinter den eigenen Linien ist unumstritten und wird in Zukunft weiter zunehmen, so die Analyse. Im direkten Gefecht leiden UGV laut den ukrainischen Fachleuten jedoch weiterhin an den bekannten Problemen. Ihre Nutzung in urbanen Räumen ist kaum möglich. Die Fahrzeuge sind bereits innerhalb kurzer Distanz durch den Abriss der Telemetrie-Übertragung nicht mehr zu steuern. Zudem haben sich UGV im bebauten und stark eingeschnittenen Gelände sowie beim Einsatz im Wald oder komplexen Feldstellungen als überaus verwundbar gezeigt, sogar gegenüber Handwaffen.

Die durch die Analyse dokumentierten Erfolge im offenen Gelände sind jedoch keine Selbstverständlichkeit. Die ukrainische Seite hat durch den gezielten Einsatz von elektronischen Kampfmitteln gezeigt, dass sie die Effizienz russischer UGV auch im für den UGV-Einsatz idealen Gelände deutlich herabsetzen kann. Erfolgen diese Störmaßnahmen koordiniert mit dem Einsatz von Artillerie und FPV-Drohnen, kann die offensive Nutzung von russischen UGV fast vollständig unterbunden werden, wie die ukrainischen Verteidiger im Raum Awdijiwka gezeigt hätten.

Als zukünftige Entwicklungen sieht das Papier neben der Weiterentwicklung der nicht zweckgebunden Mehrzwecksysteme auch die immer enger werdende Kooperation mit UAS. Die gemeinsame Nutzung biete zahlreiche Vorteile. So könne das Situationsbewusstsein der am Boden operierenden UGV deutlich verbessert werden. Die höhere Operationsdauer der Bodenroboter kann wiederum dazu verwendet werden, Drohnen an ihren Startplatz zu verbringen und in manchen Fällen, wie sich bereits gezeigt hat, sogar die Bergung abgestürzter Drohnen übernehmen. Die ukrainischen Streitkräfte seien daher dazu angehalten, die russische UGV-Entwicklung weiter zu beobachten. Den zu erwartenden Erweiterungen der Fähigkeiten müsse, so dass Dokument, mit entsprechenden Mitteln und Verfahren begegnet werden.

Kristóf Nagy