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Seestreitkräfte werden in den kommenden Jahren runderneuert

Deutschlands Seestreitkräfte haben mittlerweile einen erheblichen Modernisierungs- und Austauschbedarf bei ihren schwimmenden und fliegenden Einheiten. Um Engpässe zu beseitigen,  sollen neue Schiffe wie das MKS 180 sowie Marinetanker in der kommenden Dekade zulaufen. Allerdings verbleiben weiter neuralgische Punkte bei den Fähigkeiten. Nach Einschätzung von Kapitän zur See Matthias Potthoff aus der Abteilung Planung II des BMVg brennt es gegenwärtig im Bereich der U-Boot-Bekämpfung.

Wie er in seinem Vortrag auf dem 21. DWT-Marineworkshop Anfang der Woche in Linstow weiter ausführte, wird es außerdem ab  2027 für die Minenabwehr extrem kritisch. Dem Vernehmen nach fehlt dem Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw Personal, um die Modernisierung der Minenabwehr voranzubringen. Dabei soll mit dem MKS 180 erstmals ein großes Kampfschiff ein Modul zur Seeminenbekämpfung erhalten.

Potthoff wies darauf hin, dass sowohl die See gehende wie die fliegende Aufklärung der Marine an ihr Nutzungsende kommt. Er sieht überdies den Bedarf, die Verbandsabwehr zu ertüchtigen und die Abwehr ballistischer Raketen (BMD-Fähigkeit) herzustellen.   Gleichzeitig sei es erforderlich,  die Führungsfähigkeit sicherzustellen. Außerdem müssten zahlreiche Unterstützungseinheiten erneuert, beziehungsweise ertüchtigt werden.  Der Offizier sieht bei der Modernisierung eine „Mammutaufgabe“ auf die Marine zukommen. Diese Runderneuerung der Seestreitkräfte werde das Projekt mindestens einer Dekade sein.

Konkrete Projekte in diesem Zusammenhang sind der Zulauf der MKS 180 – eine Entscheidung über den Gewinner der Ausschreibung könnte noch im November fallen – , der neue Bordhubschrauber Sea Tiger auf Basis des NH90, die Obsoleszenzbeseitigung F124 sowie das Midlife-Refit der U-Boote. Bei der Obsoleszenzbeseitigung F124 werden unter anderem die SMART-L-Radare ausgetauscht. Die neuen Sensoren  sollen in einem zweiten Schritt BMD-fähig gemacht werden. Die Ausschreibung für das Projekt läuft bereits. Während eine Reihe von Unternehmen ihr Interesse an der Teilnahme bekundet hat, wird mit Spannung erwartet, ob diese auch ein Angebot abgeben werden. In Fachkreisen werden Thales-Hengelo mit  dem SMART-L MM/N gute Chancen auf Gewinn des Wettbewerbs zugestanden. Nicht zuletzt weil die gleichen Radare für die niederländische Marine beschafft werden und sich damit das technologische Risiko  vermindert.

Abwehr von Hyperschall-Waffen

Die Deutsche Marine untersucht neben der BMD-Fähigkeit auch die Möglichkeiten zur Abwehr von Hyperschall-Waffen. Die Sensorik solle bis 2030 modernisiert und erste Effektoren 2035 eingeführt werden, sagte Potthoff. Offenbar will  die Marine in Zukunft anfliegende Raketen außerhalb der Atmosphäre bekämpfen. Radarherstellern wie Hensoldt, Thales, Leonardo oder Saab wird auch Interesse an der Erneuerung der Radar-Suite für die Klasse F123 nachgesagt. Die Ausschreibung für dieses Vorhaben soll unmittelbar bevorstehen.

Laut Potthoff hat das Projekt der deutsch-norwegischen U-Boot-Klasse 212 CD Fahrt aufgenommen.  Gut informierte Kreise gehen davon aus, dass eine Einigung bei 212 CD bis Jahresende erfolgen könnte.  Nach Aussage des Marine-Offiziers wird darüber diskutiert, ein aktives Schleppsonar nicht nur auf der MKS 180, sondern auf weiteren Klassen wie der F125 und der F123 einzurüsten. Erneuerungsbedarf bestehe darüber hinaus bei den Flottendienstbooten. Außerdem sollen Doppelhüllentanker beschafft werden. Bei den Lenkflugkörpern geht es um die Beschaffung des RBS 15 sowie Naval Strike Missile Block 2. An einigen Stellen seien gegebenenfalls Torpedos zu ersetzen, so Potthoff.

Planungen für F127

Vorplanungen für die F127 als Nachfolgemuster der F124 in der übernächsten Dekade sind offenbar bereits angelaufen. Dem Vernehmen nach gibt es in diesem Zusammenhang Überlegungen, bei der Sensortechnologie auf das S- oder X-Band zu gehen. Die Marine soll dabei anstreben, die Technologie vor Einrüstung in eine F127 an Land oder anderen Schiffen zu testen.

Potthoff führte noch weitere Projekte der Marine an: So sei der Erhalt der Fähigkeiten P3C sowie deren Ersatz ab 2035 ein weiteres Thema. Das Maritime Airborne Warfare Systems im deutsch-französischen Kontext sei auf den Weg gebracht worden.

Außerdem wurde seiner Aussage zufolge eine Auswahlentscheidung für die gelenkte 127mm-Munition getroffen worden. In der Diskussion sei die Obsoleszenzbeseitung und Einsatzverfügbarkeit des ersten Loses der K130 genauso wie die Nutzung von Ausbildungseinrichtungen und Simulatoren an Land. Darüber hinaus gilt die Modernisierung und potenzielle  Standardisierung des FüWES als Aufgabe.

Potthoff regte an,  darüber nachzudenken, ob in Zukunft die Nutzungsdauer von Schiffen verringert werden könnte, um aufwändige Retrofits und Midlife-Updates zu vermeiden. Damit werde die Einsatzverfügbarkeit vorhandener Einheiten erhöht. Innovative Technik könnte  durch diese Maßnahme kontinuierlich und nicht disruptiv eingeführt werden.  Um einmal die Fähigkeiten der Marine zu ergänzen, könnten seinen Worten zufolge in Zukunft womöglich auch an der Küste stationierte Abwehr- sowie unbemannte Systeme zum Einsatz kommen.
lah/27.9.2019

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