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Probleme bei Unterauftragnehmern wirbeln Zeitplan durcheinander

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Die Indienststellung der „Köln“, dem ersten Schiff des zweiten Loses der Korvetten-Klasse K130, dürfte trotz bereits erfolgter Werftprobefahrt nur schwer zu prognostizieren sein. Der Grund: Die seit langer Zeit bekannten Probleme mit einer Schlüsselkomponente des Schiffes, dem Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWES), sind weiter ungelöst und haben sich sogar ausgeweitet. Das könnte laut dem aktuellen Rüstungsbericht zu einer Verzögerung im Projektplan von zwei Jahren und mehr führen.

„Die Anfang 2019 auf mehreren norddeutschen Werften begonnene Fertigungsphase von fünf zusätzlichen Korvetten der Klasse 130 zählt zu den aktuell umfangreichsten Beschaffungsvorhaben der Deutschen Marine und erfolgt unter Federführung der NVL Group in Kooperation mit thyssenkrupp MarineSystems und der GERMAN NAVAL YARDS KIEL sowie weiteren zahlreichen beteiligten Unternehmen“, teilte dazu die NVL Group – NVL steht für Naval Vessels Lürssen – auf Nachfrage mit. Erhebliche technische Herausforderungen beim Einsatzsystem, bedingt durch neue IT-Sicherheitsrichtlinien und ein systemisches Umdenken im Bereich der Cyber-Security vor dem Hintergrund der aktuell veränderten Sicherheitslage in Europa, konnten nach Angaben von NVL bislang nicht zur Zufriedenheit aller gelöst werden.

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„Wir arbeiten an verschiedenen Lösungsansätzen. Die Schwierigkeiten beim Einsatzsystem werden allerdings zu einer bereits heute absehbaren Verzögerung bei der Ablieferung der Boote führen. Über die detaillierte Planung sind wir mit dem Kunden im engen Austausch“, schreibt NVL als das federführende Unternehmen des Projektes.

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Höhere IT-Standards gefordert

Dem Vernehmen nach sind sich die beiden mit der Entwicklung des FüWES betrauten Unternehmen Atlas Elektronik, beziehungsweise das Mutterunternehmen thyssenkrupp Marine Systems (tkMS), und Thales über Verantwortlichkeiten und Arbeitspakete uneinig.

Ein Problem bei der Umsetzung des FüWES soll darin liegen, dass bislang keine funktionierende Integration der Software-Anteile des  von Atlas Elektronik entwickelten FüWES ANCS sowie den Komponenten des Thales-FüWES Tacticos möglich war. Dazugekommen ist offenbar, dass im Laufe des Bauprozesses immer höhere IT-Standards für das System gefordert wurden. Gut informierten Kreisen zufolge könnte der Dissens zwischen den beiden Unterauftragnehmern womöglich sogar juristisch eskalieren, was den Arbeitsfortschritt nicht unbedingt beschleunigen dürfte.

Im jüngsten Rüstungsbericht, der im Juni veröffentlicht wurde, heißt es denn auch in ungewohnter Schärfe zu dem Korvetten-Vorhaben: „Die Boote 6 bis 8 befinden sich in der Ausrüstung in Hamburg. Schiffbaulich befinden sich die Boote im Terminplan. Aufgrund von Minder- und Schlechtleistungen des Unterauftragnehmers (UAN) der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) K130 für das Führungs- und Waffeneinsatzsystems (FüWES) kommt es zu Verzögerungen für das Einsatz- und Betriebsunterstützungszentrum sowie für die Boote 6 bis 8 von ca. zwei Jahren. Eine weitere Verzögerung im Rahmenterminplan durch das Einsatzsystem ist weiterhin möglich.“

Die vertragliche Umsetzung der Verzögerung durch die Integration des neuen Rahmenterminplans in einen Änderungsvertrag zum Bauvertrag stehe noch aus, schreiben die Autoren des Berichts. Ende Januar seien im Rahmen eines Projektreviews die weitere Vorgehensweise und die entsprechenden Vorschläge für die technischen Lösungen präsentiert worden. „Diese wurden detailliert analysiert und mit dem Auftragnehmer abgestimmt. Ein Entwurf eines neuen Ablieferungsplans wurde durch den Auftragnehmer vorgelegt. Zeitliche Optimierungsmöglichkeiten werden noch untersucht“, schreiben die Autoren des Berichts.

öAG lehnt Zeitlinien ab

Im Gegensatz dazu hieß es noch im vorherigen, Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Rüstungsbericht, dass ein 2020 geforderter zwölfmonatiger Design-Freeze umgesetzt wurde, „um die Auslieferung der Boote und des Einsatz-/Betriebsunterstützungszentrums mit vollen Funktionalitäten des Einsatzsystems, verbunden mit einem Lieferverzug von zwei Monaten für die Boote 6 und 7, zu gewährleisten“. Allerdings wurde auch schon damals eine Verschärfung der bestehenden Risiken beim Einsatzsystem für möglich gehalten und es waren Vorschläge für technische Lösungen erarbeitet worden: „Diese werden nun detailliert analysiert, nachdem die im März 2021 vorgestellten Konzepte zur Integration des Einsatzsystems und Mitigation möglicher Lieferverzögerungen im Bereich der Hardware durch den öffentlichen Auftraggeber (öAG) aufgrund nicht akzeptabler Zeitlinien zurückgewiesen wurden“, hieß es in dem Papier weiter.

Insgesamt werden laut dem Bericht vom Juni höhere Kosten für das 2. Korvettenlos in Höhe von 401 Millionen Euro oder Plus 16 Prozent erwartet. Davon entfallen 224 Millionen Euro auf Leistungsveränderungen und Leistungsabweichungen.

Ohne funktionierendes FüWES kann die Korvette kaum als Kriegsschiff eingesetzt werden. Gleichzeitig besteht in der Marine schon seit vielen Jahren ein Wildwuchs an Führungssystemen ohne einheitliche Standards. Atlas Elektronik und Thales Deutschland dürften bereits seit Jahren am FüWES für die neuen Korvetten arbeiten. Im Juni 2018 hatten die beiden Unternehmen verkündet, gemeinsam den Auftrag erhalten zu haben. Laut damaliger Mitteilung umfasst der Vertrag die Ausstattung der fünf Schiffe des zweiten Loses sowie des Test- und Trainingszentrums in Wilhelmshaven. Außerdem sollte von den beiden Partnern die Führungs-Software des ersten Korvetten-Loses modernisiert werden. Atlas Elektronik sei in erster Linie für die Software zuständig, während sich Thales um die IT-Infrastruktur kümmere, hieß es seinerzeit in der Pressemitteilung.

Da der Überwasserschiffbau mittlerweile zur nationalen Schlüsseltechnologie erhoben wurde und IT-Systemen dabei eine immer größere Bedeutung zukommt, zeigt das Beispiel des zweiten Loses K130, dass die deutsche Industrie in diesem Bereich offensichtlich noch erhebliches Optimierungspotenzial hat. Wie sich die Entwicklung auf die Beschaffung eines dritten Loses auswirkt, bleibt abzuwarten. Zunächst aber müssen die aktuellen Probleme gelöst werden.
lah/12.9.2022