Das US-Spezialkräftekommando (USSOCOM) hat den Zuschlag für die Lieferung der sogenannten Ground Organic Loitering Aerial Munition – Echelon II (GOLAM-II) Loitering Munition an das Unternehmen Mistral Inc. aus dem US-Bundesstaat Maryland vergeben. Dies geht aus einer Bekanntmachung der US-Regierung vom 17. Mai 2024 hervor. Die Vereinbarung ist mit einem maximalen Wert von knapp 73,5 Millionen US-Dollar dotiert und gilt bis Mai 2029.
Mit dem GOLAM II Projekt beabsichtigen die US-Spezialkräfte eine Loitering Munition zu beschaffen, welche bei hoher Präzision eine größere Reichweite als vorhandene Systeme bietet. Details über das ausgewählte System sowie dessen schlussendliche Leistungsfähigkeit sind derzeit noch nicht mitgeteilt worden. Lediglich die in den öffentlich zugänglichen Ausschreibungsunterlagen geforderten Leistungswerte sind bekannt. Zudem lassen sich auf der Webseite von Mistral Inc. ausschließlich Abbildungen und Angaben zu Loitering Munition Systemen des israelischen Herstellers UVision finden. Dies könnte, muss aber nicht, darauf hindeuten, dass es sich bei dem ausgewählten Wirkmittel um ein Mitglied der Hero-Loitering-Munition-Familien handelt. Träfe dies zu, würden die geforderten Leistungsdaten für eine Hero-120 sprechen, welche sich in der Einführung beim U.S. Marine Corps befindet und im Rahmen der Versuchsreihe „Advanced Expeditionary Warfare Experiment“ auch von der U.S. Army als mögliches zukünftiges Panzerabwehrwirkmittel betrachtet wird. Mistral fungiert in diesem Zusammenhang offenbar als Systemintegrator der Hero-Wirkmittel-Familie.
In den Ausschreibungsunterlagen waren folgende Leistungsparameter für die GOLAM-II gefordert bzw. gewünscht. Demnach sollen die Startbehälter sowohl vom Boden einsetzbar als auch in leichte Fahrzeuge einrüstbar ausgeführt werden. Minimalanforderung an Reichweite und Flugzeit sind mit 20 km, respektive 60 Minuten angegeben. Angestrebt sind jedoch 120 km Reichweite bzw. zwei Stunden Flugzeit.
Die Steuerung und Navigation soll idealerweise über unterschiedliche Optionen verfügen und auch im Umfeld starker elektronischer Gegenmaßnahmen eine hohe Präzision aufweisen. Weiterhin soll die GOLAM-II die Fähigkeit aufweisen, ein bewegliches Ziel mit einer Geschwindigkeit von 72 km/h autonom erfassen, verfolgen und bekämpfen zu können. Die Gewünschte Präzisionsanforderung bei einer Trefferwahrscheinlichkeit von 90 Prozent soll bei weniger als 0,5 Metern liegen.
Zudem fordert das USSOCOM einen Mehrzweckgefechtskopf mit hoher Splitterwirkung und der Fähigkeit, mit der integrierten Hohlladung auch gepanzerte Fahrzeuge bekämpfe zu können. Die netto Explosivstoffmenge ist mit knapp einem Kilo angegeben. Explizit wird eine „Variante, die speziell für die Durchdringung von Strukturen entwickelt wurde“ gefordert. Das Wirkmittel muss zumindest in der Lage sein eine einzige Außenwand aus Lehmziegeln zu durchdringen und gleichzeitig tödliche Wirkungen im Inneren der Struktur zu entfalten. „Zusätzliche Gefechtsköpfe können unter anderem sein: nicht-letale Nutzlasten zur elektronischen Kriegsführung, elektromagnetische Impulse, zur Zerstörung von Hindernissen und zur Schockwirkung; letale Nutzlasten zur Panzerbekämpfung, zur thermobarischen Wirkung, zur Zerstörung von Strukturen und zur Penetration gehärteter Strukturen“, heißt es in den Ausschreibungsunterlagen von Anfang 2023.
Für den Flugbetrieb sind mehrere Anforderungen an die Ausgestaltung gestellt. So soll die Loitering Munition in der Lage sein einen vorgegebenen Kurs abzufliegen und programmierte Ziele anhand von Koordinaten anzugreifen. Auch die Selbstzerstörung im Flug auf Kommando ist zu realisieren. Dem Bediener soll bis zum Einschlag, getreu dem Motto „Humand in the Loop“, die Möglichkeit geboten werden einzuschreiten und die Mission abzubrechen. Auch wenn eine Bedingung durch zwei Personen als akzeptabel gilt, ist der sichere Betrieb durch eine Person erwünscht. Für Ausbildung und Inübunghaltung soll das System zudem über eine Trainingsfunktion verfügen. Wann mit der Auslieferung des ersten GOLAM II Systems zu rechnen ist, war der Stellungnahme der US-Regierung nicht zu entnehmen. Es ist jedoch absehbar, dass selbst dann, wenn nur die Minimalanforderungen erfüllt werden, die US-Spezialkräfte in absehbarer Zeit eine Loitering Munition erhalten werden, welche die Leistungsparameter der heute eingeführten Wirkmittel überflügeln wird.
Kristóf Nagy