Die RUAG ist der wichtigste Dienstleister der Schweizer Armee und für das Life-Cycle Management der Streitkräfte des Alpenlandes verantwortlich. Der Konzern bietet darüber hinaus ausgewählte Produkte auf dem internationalen Markt an und hat auch bereits die Bundeswehr als Kunden gewinnen können, etwa für die Lieferung des sogenannten Tactical Vehicle Switch für den Schützenpanzer Puma und den „Multinationalen interoperablen Funkanschaltpunkt“ (miFAP).
Ein Gebiet auf dem die RUAG für die Schweizer Armee komplexe Lösungen entwickelt hat, ist die taktische Kommunikation. Eine besondere Kompetenz haben die Schweizer dabei beim Betrieb von Richtfunknetzen aufgebaut, da diese Technologie bereits vor rund zwei Jahrzehnten großflächig in der Eidgenossenschaft eingeführt wurde.
Bei der Richtfunk-Technik ergeben sich womöglich weitere Anknüpfungspunkte mit der Bundeswehr, denn das Verteidigungsministerium in Berlin will im Rahmen des Vorhabens Tactical Wide Area Network (TaWAN) ebenfalls ein mobiles Richtfunknetz für die Anbindung der Fronttruppen an die nachgelagerten Dienststellen aufbauen.
Das BMVg übernimmt beim Vorhaben TaWAN voraussichtlich eine Reihe von Komponenten, die auch von der Schweizer Armee genutzt werden. Etwa die Richtfunk-Hardware von Thales Suisse oder Piranha-Radpanzer von GDELS als Mobilitätsplattform.
Die Schweiz hat für die Kommunikation ihrer Truppen ein umfassendes Kommunikationsnetz mit fixen und mobilen Elementen entwickelt, das unter anderem Internet, Satellitenkommunikation und Richtfunk nutzt. Die Kommunikationsübertragung kann dabei eine Bandbreite von bis zu 400 Gbit/s gewährleisten.
Bei ihren fahrzeuggebundenen Richtfunksystemen will die Bundeswehr in Zukunft auf eine hohe Mobilität und geringe Verweildauer setzen, um einer Aufklärung und Bekämpfung zu entgehen. Damit ergibt sich auch beim operativen Konzept eine große Nähe zu den Streitkräften des Nachbarlandes. „Das ist genauso wie die Schweizer Armee funktioniert“, sagt Michael Bigler, Business Unit Leiter Engineering Ground der RUAG, im Gespräch mit hartpunkt. Man operiere in der Schweiz teilweise mit kleinen, sehr mobilen Verbänden und praktiziere „shoot & scoot“.
Nach seiner Aussage kann ein Richtfunknetz binnen weniger Stunden aufgebaut werden. Dabei sei dieses degradierbar, funktioniere also auch dann, wenn Funkstrecken gestört werden oder, durch ihren redundanten Aufbau auch, wenn Elemente ausfallen. Der Nutzer merke nichts von der Komplexität. Durch die Nutzung der Prinzipien des Software-Defined Networking, welche an die taktischen Rahmenbedingungen von dezentralen Netzwerk-Infrastrukturen angepasst wurde, sucht sich das System nach Aussage des RUAG-Managers selber den geeignetsten Weg.
Die taktischen Kommunikationsnetze zeichnen sich durch die Nutzung von Übertragungsmedien verschiedensten Bandbreiten und Übertragungstechnologien aus. Das militärische Schweizer Netz ist über mehrere Ebenen gespannt, mit permanenten, teilmobilen und mobilen Komponenten. In der Praxis werden die teilmobilen Elemente des Richtfunksystems Stunden, Tage, manchmal sogar Wochen stationär eingesetzt, die mobilen Elemente verbleiben dagegen eine Viertelstunde, Stunde oder sogar mitunter einen ganzen Tag an einem Ort.
Dabei werden neben dem Richtfunk weitere, auch bereits vorhandene Übertragungsmedien genutzt. Das sind im Wesentlichen ein Festnetz mit Glasfaser- und Kupferleitungen sowie klassische Mobilfunknetze unter Nutzung ziviler Provider. Die RUAG hat nach eigenen Angaben für die Vermaschung zwischen den Übertragungsmitteln umfassende Lösungen entwickelt.
Der Schlüssel für die Funktionalität der Kommunikationsnetze stelle eine Management-Software da, erläutert Bigler. Das Unternehmen bezeichnet die genutzte Software als „Taktisches System-Management (TSYM)“. Diese hat der Konzern im Auftrag der Schweizer Armee entwickelt und verfeinert es kontinuierlich. Denn die im zivilen Umfeld verfügbaren Protokolle können nicht, mit den sich schwankenden Bandbreiten und sich verändernden Netzwerkstrukturen im militärischen Umfeld umgehen, sagt Bigler. „Die Konzipierung und Implementierung solcher Protokolle ist eine der großen Herausforderungen.“
Für die Entwicklung, Integration bis zum Austesten der Soft- und Hardwarelösungen hat die RUAG ein Integrationslabor in der Nähe von Zürich aufgebaut, wo auch Live-Demos mit Equipment gemacht werden können. Dem Unternehmen zufolge befassen sich dort rund 60 Mitarbeiter kontinuierlich mit dem Thema.
Bei ihren Lösungen müssen sich die Entwickler auf die besonderen Rahmenbedingungen der Schweiz einstellen. Neben einem knappen Rüstungsbudget erfordert das Miliz-System nach Aussage von Bigler, dass die Operateure sehr schnell ausgebildet werden müssen und bei Wiederholungsübungen das System sicher nutzen können. „Es wird mit drei Tagen Grundausbildung pro Soldat kalkuliert.“ Wichtige Merkmale des Schweizer Ansatzes sind seinen Worten zufolge: Robustheit, permanente Verfügbarkeit, Integration des Richtstrahls sowie Integration der Knotenpunkte. „Wir verbinden in Summe bis zu 2.000 Knotenpunkte.“
Eine weitere Herausforderung besteht darin, die sich ständig in Bewegung befindlichen Richtfunk-Träger einzubinden, denn beim Richtfunk muss eine Sichtlinie gewährleistet und die relativ kleine Antenne direkt „getroffen“ werden. Diese Ausrichtung von Sender- und Empfänger-Antenne wird normalerweise vorab oder im Feld geplant. Mittlerweile gibt es auch Lösungen mit Richtstrahlen, die während der Suche zunächst weit auffächern und dann gebündelt werden. Auch könne die Ausrichtung über 4G/5G erfolgen.
Die RUAG würde gerne noch weitere Kunden für ihre Netzmanagement-Lösung gewinnen und schaut dabei auch nach Deutschland. Es bestehe ein großes Interesse, den eigenen Footprint zu erweitern, betont Bigler. Dafür würde das Unternehmen auch Partnerschaften eingehen, wobei die RUAG ihre langjährige Erfahrung als Systemlieferant und Integrator der Schweizer Armee einbringen würde.
Lars Hoffmann