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Video: PARM NextGen – TDW stellt „smarte Panzerabwehrrichtminenschranke“ vor

Waldemar Geiger

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Die TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme mbH, eine Tochter von MBDA Deutschland, hat auf der diesjährigen Rüstungsmesse Eurosatory in Paris erstmals die Neuentwicklung PARM NextGen, ein intelligentes und integriertes Sperrmittel der 3. Generation, welches eine um 50 Prozent gestiegene Bekämpfungsreichweite bietet, öffentlich vorgestellt. Trotz der verbesserten Leistung sieht sich das Unternehmen nach eigenen Angaben in der Lage, die PARM NextGen im gleichen Preissegment wie die klassische Panzerabwehrrichtmine (PARM) anzubieten. Möglich wird dies offenbar unter anderem dank der hohen Skaleneffekte aus der zurzeit anlaufenden PARM-Produktion.

Bereits vor der russischen Invasion in der Ukraine hatte das Interesse verschiedener NATO-Staaten an modernen Sperrsystemen, die einen feindlichen Vormarsch effektiv hemmen können, sichtlich zugenommen. Mit der Invasion ist nicht nur das Interesse, sondern der konkrete Bedarf signifikant gestiegen. So hatte die Bundesregierung bereits im Frühjahr 2022 entschieden, Panzerabwehrrichtminen aus den Beständen der Bundeswehr an die Ukraine zu liefern. Die Systeme haben sich dort bestens bewährt, wie man anhand zahlreicher veröffentlichter Videos in den sozialen Netzen sehen kann. Die PARM ist das einzige auf dem Mark verfügbare „Off the shelf“-Sperrmittel, das „jeden modernen Kampfpanzer der Welt zumindest stoppen kann“, wie Andreas Seitz, Geschäftsführer der TDW, gegenüber hartpunkt in Paris erklärte.

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Die Nutzer sind offenbar von der Leistungsfähigkeit des Systems überzeugt. So hat Deutschland bereits im November 2023 einen Rahmenvertrag mit der TDW über die Herstellung und Lieferung von über 10.000 Richtminen geschlossen, von denen 2.600 fest bestellt und 10.000 weitere als Option vereinbart sind. TDW erwartet zudem weitere Bestellungen des nachgefragten Systems, dessen Produktionslinien nach mehreren Jahrzehnten Stillstand derzeit wieder aufgebaut werden. Mit der PARM NextGen bringt die TDW eigenen Angaben zufolge eine Ergänzung zur einsatzbewehrten Panzerabwehrrichtmine auf den Markt.

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Die PARM NextGen ist Seitz zufolge auf Basis von Erfahrungen im Ukrainekrieg sowie unterschiedlichen Kundenwünschen selbstfinanziert entwickelt worden und könnte bei Auslösung einer Bestellung „sehr kurzfristig“ in die Kundenqualifikation gehen. Eine Vertragsfähigkeit soll noch dieses Jahr vorliegen.

Den Aussagen von Seitz zufolge hat die TDW alle bewährten Komponenten sowie Funktionalitäten der Panzerabwehrrichtmine übernommen und diese um eine intelligente Sensorik sowie eine ausgeklügelte elektronische Zünd- und Sicherungseinrichtung erweitert. Letztere soll gemäß Seitz eine Eigenentwicklung der TDW sein, die eine Fernschärfung bzw. -sicherung sowie die Fernwiederschärfung der Richtmine ermöglicht und selbst die zukünftigen Anforderungen der derzeit in Erarbeitung befindlichen NATO-STANAG für solche Zünd-/Sicherungsmechanismen erfüllt. Wie der Manager weiter ausführte, wurde die PARM NextGen bereits im November 2023 drei potenziellen Kunden vorgeführt. Dabei wurde das System auf ein fahrendes Ziel geschossen.

Aufbau und Funktionsweise

Von der klassischen PARM sind drei wesentliche Komponenten bzw. Eigenschaften übernommen worden. Zum einen die Penetrationskraft des Gefechtskopfes samt dem äußeren Minenaufbau. Des Weiteren wurde auch die einfache Ausbildung, Bedienung und Nutzbarkeit beibehalten, die es den Ukrainern ermöglicht hatte, nicht vorausgebildete Kräfte mittels eines vierminütigem Lehrvideos in die Handhabung der PARM einzuweisen und innerhalb kürzester Zeit zum Ausschalten russischer Kampfpanzer zu befähigen. Last but not least wurde die Flexibilität bzw. vielfältige Nutzbarkeit der PARM beibehalten, so dass diese für die Lösung zahlreicher taktischer Probleme eingesetzt werden kann. Neben dem klassischen Sperren von Räumen und Gassen, können mit der PARM NextGen laut Hersteller sogar noch komplexere Hinterhalte gelegt werden, als dies mit der PARM möglich war.

Möglich wird dies mittels zweier neuer Elemente, einer modernen Sensorik inklusive KI-Bilddatenauswertungsfähigkeit sowie der Möglichkeit der Fernschärfung.

Sensorik

TDW zufolge ist die PARM NextGen als modulares System angelegt, so dass die Richtmine mit praktisch jedem sinnvollen Sensor ergänzt werden kann. Der Hersteller hat sich jedoch dazu entschieden, mit einem in Süddeutschland ansässigem Unternehmen zu kooperieren, das unter anderem auf Wärmebildtechnik und KI-Anwendungen spezialisiert ist. Das Unternehmen hat TDW zufolge eine sehr günstige Sensorsuite rund um einen passiven Infrarot-Sensor entwickelt, der einen 100-prozentigen Ausschluss der Personenbekämpfung erlaube, was wiederum Voraussetzung für eine mit der Ottawa-Vereinbarung konforme Herstellung von Panzerabwehrminen sei.

Der Sensor kann mit einem einfachen Hebel abgenommen – beispielsweise für den Transport – und wieder aufgesetzt werden. Je nach Bedarf kann die PARM NextGen auch ohne optischen Sensor eingesetzt werden. In einem solchen Fall wird das System genauso wie die klassische PARM mit einem Lichtwellenleiter genutzt. Den Aussagen von Seitz zufolge gibt es taktische Situationen, in denen ein Lichtwellensensor zweckmäßiger ist.

In der Regel wird die PARM NextGen genauso wie die klassische PARM an einer für den Sperreinsatz geeigneten Stelle aufgestellt und bei Bedarf aus der Ferne geschärft. Erst danach wird die Sensorik aktiviert, jedoch in einem sogenannten Schlafmodus. Um Strom zu sparen, wird das Vorfeld im Schlafmodus mit einer geringen Frequenz beobachtet. In diesem Zustand reagiert die Sensorik auf gewisse Reize, die Seitz nicht weiter erläutern wollte. Tritt ein solcher Reiz auf, wacht das System auf und führt die Vorfeldbeobachtung mit einer höheren Frequenz durch, bis zur Identifikation eines in den Wirksektor einfahrenden Fahrzeuges. Kommt es zu dem Fall, wird der Gefechtskopf gezündet und das Ziel bekämpft. Die Bekämpfungsreichweite wird mit 60 Metern angegeben. Die klassische PARM kann aufgrund der Länge des Lichtwellenleiters nur bis zu einer Entfernung von 40 Metern effektiv wirken.

Nach der Schärfung kann das System so bis zu 30 Tage vollautonom im Einsatz verbleiben. Gemäß Ottawa-Übereinkunft wären zwar auch bis zu 45 Tage möglich, dafür müsste jedoch einer größerer Energiespeicher verwendet werden.

Fernzündung

Wie bereits erwähnt, bildet der Fernzündungsmechanismus das zweite Kernelement der neue Panzerabwehrrichtmine. Genau diese Fähigkeit führt dazu, dass die PARM NextGen als Sperrmittel der 3. Generation betrachtet werden kann. Die Möglichkeit, die mittels des Systems angelegten Sperren aus der Ferne zu schärfen bzw. zu sichern, erlaubt es den Streitkräften dem Feind ganze Räume zu nehmen, diese aber gleichzeitig selbst nutzen zu können. Klassische Minensperren – egal ob Verlegeminen, Wurfminen oder Richtminen – verwehren sowohl dem Feind als auch den eigenen Kräften, in dem gesperrten Raum zu operieren, sie wirken also in beide Richtungen.

Die PARM NextGen sei „vergleichbar mit einer Schranke“, erläuterte Seitz das Wirkprinzip des modernen Sperrmittels. Bei Bedarf kann die Sperre durch die Sicherungskräfte per Knopfdruck geöffnet und wieder geschlossen werden. Eigene Aufklärungskräfte können so sicher hindurchgelassen und wieder aufgenommen werden. Zudem können so komplexe Hinterhalte – bestehend aus mehreren Richtminensperren – gelegt werden, bei denen einige der Sperren erst dann geschärft werden, wenn eine Feindkräftegruppierung hindurchgefahren ist. Ist dies erfolgt, werden die Minen hinter ihm geschärft, während die Spitzenteile gleichzeitig auf den vorderen Teil der Minensperre auffahren und durch diese ausgeschaltet werden. Setzen die verbliebenen Teile nun zurück, fahren sie sofort in den Wirkbereich der gerade geschärften Minen ein und sitzen somit in der Falle.

Da die Sperren zuverlässig ein- und ausschaltbar sind, können selbst Angriffe über eigene Sperren hinweg erfolgen, was bisher nicht möglich ist.

Das Funksystem arbeitet passiv und funkt nur in dem Moment des Schärfungs- bzw. Sicherungsvorgangs. Die Sicherungstruppe entscheidet also, wann das System „aktiv“ ist, den Rest der Zeit ist das System der Funkaufklärung entzogen. Sollte es zum feindlichen Störeinsatz kommen, verbleibt das System in dem aktuellen Zustand, die Sperrwirkung ist davon nicht betroffen. Daher kann das Richtmittel an sich nicht mittels des elektronischer Maßnahmen „bekämpft“ werden, es kann lediglich die Schärfung bzw. Entschärfung unterbunden werden.

Auf der Soldatenseite erfolgt die Fernschärfung mittels einer speziellen „Fernbedienung“. Ein System kann bis zu drei unterschiedliche PARM NextGen steuern. Die Zuweisung der jeweiligen Mine an die Fernbedienung erfolgt beim Aufstellen der PARM. Der aus der Mine entnommene Sicherungsstift fungiert gleichzeitig als „Pairing Device“, welches in die Fernbedienung eingesteckt wird. Jeder Sicherungsstift bzw. „Schlüssel“ (im Titelbild versehen mit einem „PARM-Anhänger“) verfügt über eine einzigartige verschlüsselte Signatur, so dass die Mine ganz genau weiß, von welcher Fernbedienung Signale empfangen werden sollen bzw. nicht.  

Modularität bietet viel Zukunftspotenzial

Die als modulares System ausgelegte PARM NextGen bietet – ohne dass man viel Fantasie haben muss – enormes Zukunftspotenzial. Da Komponenten, wie beispielsweise die Sensorik,  austauschbar sind, kann mit einer fortschreitenden Technologieentwicklung auch die Leistungsfähigkeit des Sperrmittels stetig weiterentwickelt werden. Die bereits angesprochene komplexe Zieldiskriminierung ist nur eines der potenziellen Weiterentwicklungspotenziale.

Da derzeit insbesondere im Bereich der Batterietechnologien große Fortschritte erzielt werden, können leistungsfähigere Batterien die  für zusätzliche Fähigkeiten notwendige Energie liefern.

Waldemar Geiger