System Sturmgewehr Bundeswehr – Probleme bei der Optik?

Waldemar Geiger

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Die Integrierte Nachweisführung des Systems Sturmgewehr Bundeswehr – bestehend aus dem Gewehr G95A1 bzw. G95KA1 sowie dem VarioRay-Laser-Licht-Modul und der Hauptkampfoptik des Typs ELCAN Specter DR 1-4x – schreitet voran. Für den Abschluss fehlt dem Vernehmen nach die Kälte-Erprobung, welche für das erste Quartal 2025 angesetzt ist. Gleichwohl zeichnet sich bereits jetzt ein finaler Konstruktionsstand (K-Stand) des Systems Sturmgewehr Bundeswehr ab.

Der K-Stand bildet sozusagen das finale „Design“ eines Produktes ab, das im Rahmen der Serienfertigung hergestellt und geliefert werden soll. Wie bereits im November 2024 berichtet, steht der finale K-Stand für die auf Basis der HK416 A8 entwickelten Sturmgewehre G95A1 bzw. G95KA1 dem Vernehmen nach bereits fest. Insidern zufolge soll auch der K-Stand des VarioRay-Laser-Licht-Moduls fix sein. Probleme gibt es aber dem Vernehmen nach beim Optikanteil des Systems Sturmgewehr Bundeswehr, so dass die Übernahme der Optik durch die Truppe zu scheitern droht, wie hartpunkt aus gut unterrichteten Kreisen erfahren hat.

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Als Hauptkampfvisier für die zukünftigen Standard-Sturmgewehre der Bundeswehr wurde das ELCAN Specter DR 1-4x von Raytheon ELCAN, zugehörig zum US-Rüstungskonzerns RTX, ausgewählt. Im Zuge der sogenannten Taktischen Einsatzprüfung, die im Rahmen der Integrierten Nachweisführung stattfindet, und die es der Truppe erlaubt, Testmuster des zu beschaffenden Produktes in taktischen Szenarien auf Herz und Nieren zu testen, sollen dem Vernehmen nach mehrere Defizite der Optik identifiziert worden sein. Auch wenn einige davon behoben werden konnten, scheint zumindest ein Defizit der Optik gravierenderer Natur zu sein.

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Wie mit dem Sachverhalt vertraute Kreise gegenüber hartpunkt berichten, scheint das ELCAN Specter DR 1-4x die Forderungen der Bundeswehr bezüglich der Nachtkampffähigkeit nicht zu erfüllen. Dem Vernehmen nach kommt es bauartbedingt zu Inkompatibilitätsproblemen mit der in die Truppe eingeführten Nachtsichtbrille vom Typ Lucie II. Gleichwohl dauert die Nachweisführung für die Optik noch an, ob und wie der Mangel behoben werden kann, ist aber noch unklar. Würde die ELCAN-Optik die geforderte Fähigkeit auch nach Abschluss der Nachweisführung nicht erfüllen, könnte die Truppe – federführend ist hier das Heer – die Übernahme verweigern, so dass die Bundeswehr die Optik dann nicht oder in einer deutlich geringeren Stückzahl als ursprünglich geplant – rund 120.000 – beschafft werden.

Wie gut unterrichtete Kreise gegenüber hartpunkt bestätigt haben, hat das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw offenbar im letzten Quartal 2024 mindestens zwei Optikhersteller kontaktiert, die in die Bundeswehr eingeführte und mit dem HK416 kompatible Hauptkampfvisiere im Portfolio führen. Abgefragt wurden dem Vernehmen nach mögliche Liefermengen im Jahr 2025.

Beobachter gehen davon aus, dass die Bundeswehr hier bereits an einem „Plan B“ arbeiten könnte, um im Falle einer Nichtübernahme der ELCAN-Optik zügig Alternativen in der Hinterhand zu haben. Andernfalls würde die Truppe dann über mehrere Tausend neuer Sturmgewehre vom Typ G95A1 bzw. G95KA1 und VarioRay-Laser-Licht-Module verfügen, diese aber aufgrund der fehlenden Optik nicht in Nutzung nehmen können, bis eine andere Optik beschafft und eingeführt worden ist. Dem Vernehmen nach soll Heckler & Koch in diesem Jahr rund 10.000 G95A1- bzw. G95KA1-Sturmgewehre an die Bundeswehr liefern.

Historie Ausschreibung System Sturmgewehr Bundeswehr

Am 21. April 2017 begann die europaweite Ausschreibung der G36-Nachfolge. Etwa 120.000 Sturmgewehre und entsprechendes Zubehör will die Bundeswehr beschaffen. Nach ursprünglicher Planung sollten die Verträge im ersten Halbjahr 2019 geschlossen werden. Der Auftragswert wurde zunächst auf 245 Millionen Euro geschätzt.

Über potentielle Bewerber hüllte sich sowohl Bundeswehr als auch Teile der Industrie in Schweigen. Bekannt ist, dass SIG Sauer (SIG MCX) und Rheinmetall/Steyr (RS556) zwar ursprünglich ein Interesse an der Ausschreibung bekundet haben, aber schlussendlich aus unterschiedlichen Gründen nicht an dem Auswahlverfahren teilnahmen. Daneben soll auch Lewis Machine & Tool Company (LMT), ein US-amerikanischer Handwaffenhersteller, ebenfalls eine Interessenbekundung abgegeben aber nicht am Auswahlverfahren teilgenommen haben. Dem Vernehmen nach haben C.G. Haenel und Heckler & Koch Angebote eingereicht. Es gilt als wahrscheinlich, dass Haenel mit dem MK556 und Heckler & Koch mit dem HK416 und dem HK433 ins Rennen gegangen sind. Der Sprecher von Heckler & Koch hat bis jetzt nur in einem Interview mit einer regionalen Online-Zeitung bestätigt, dass das Unternehmen sich mit zwei Waffen um die G36-Nachfolge beworben hat.

Im Oktober 2018 wurde bekannt, dass keine der eingereichten Waffen die geforderten Kriterien erfüllten. Den Herstellern wurde eine Frist bis zum Februar 2019 für Nacharbeiten eingeräumt. Die Erprobungen der nachgebesserten Waffen begann 18. Februar 2019 und wurden nach modifizierter Planung im Herbst 2019 abgeschlossen. Am 08. November 2019 legte die WTD 91 in einem Abschlussbericht dar, dass alle vorgestellten Waffen die Prüfungen erfolgreich bestanden haben.

Oktober 2019 wurde seitens der Bundeswehr eine Beschaffungsentscheidung für das Ende des zweiten Halbjahres 2020 in Aussicht gestellt. Im Mai 2020 wurde dann eine Verschiebung der Entscheidung in den Zeitraum Oktober/November 2020 bekanntgegeben. Schlussendlich hat das Bundesministerium der Verteidigung am 15. September 2020 verkündet, dass die Auswahlentscheidung für die Nachfolge des G36 zugunsten des thüringischen Waffenherstellers C. G. Haenel gefallen ist, was wiederum den Startschuss für einen juristisches hin und her gegeben hat. Diese Auswahlentscheidung musste kurze Zeit später wieder revidiert werden. In einem fast zwei Jahre andauernden Hergang – indem sich die Rechtsauffassung des Bundes mehrmals geändert hat, hat sich am Ende herauskristallisiert, dass das HK416 A8 von Heckler & Koch als Sieger aus der Vergleichswettbewerb hervorgegangen ist.

Nachdem der Haushaltsausschuss und der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags am 14. Dezember 2022 die entsprechenden Haushaltsmittel freigegeben haben, konnte das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw im Januar 2023 mit der im Schwarzwald ansässigen Handwaffenschmiede Heckler & Koch (HK) einen Vertrag über die Herstellung & Lieferung des neuen „System Sturmgewehr“ auf Basis des HK416 A8 schließen.

Demnach werden in einem ersten Schritt 390 Nachweismuster – 40 Sturmgewehre für die Qualifizierung in der Wehrtechnischen Dienststelle und 350 Waffen für die Einsatzprüfung in der Truppe – an die Bundeswehr ausgeliefert, welche der Mitteilung des BAAINBw zufolge „unter anderem in verschiedenen Klimazonen“ erprobt werden bzw. dem „Vergleich mit der durch den Hersteller im Vergabeverfahren eingereichten Waffen“ dienen.

Das „System Sturmgewehr Bundeswehr“ soll flächendeckend in die Truppe kommen und das G36 als Standardgewehr der deutschen Streitkräfte ablösen. Die Bundeswehr beabsichtigt, bis zu 118.718 Sturmgewehre inklusive Zubehör zu beschaffen. Hierfür soll der Hersteller der Waffe laut 25-Mio-Vorlage einen Rahmenvertrag in Höhe von rund 273,3 Millionen Euro erhalten. Dieser wiederum hat einen Festbeauftragungsanteil in Höhe von rund 32,2 Millionen Euro.

Die Haushaltsmittel für die Beschaffung der Optiken und Laser-Licht-Module wurden bereits im Juni 2021 freigegeben. Für die „Herstellung und Lieferung von Hauptkampf-und Reflexvisier sowie Laserlichtmodulen für das System Sturmgewehr der Bundeswehr“ wurden dem Vernehmen nach Mittel in Summe von rund 300 Millionen Euro gebilligt. Rund 180 Millionen sind für die Laser-Licht-Module vorgesehen, von denen bis zu 130.000 Systeme beschafft werden können, die restliche Summe ist für den Kauf der Hauptkampfvisiere vorgesehen.

Waldemar Geiger