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Soldatenfunkgeräte müssen hohen Ansprüchen genügen

Die zunehmende Digitalisierung des Gefechtsfeldes, die Abdeckung großer Geländeabschnitte mit weniger Soldaten als in der Vergangenheit und die zu erwartende höhere Dynamik eines modernen Krieges erfordern eine bessere Einbindung des individuellen Soldaten in den Führungsprozess. Insbesondere bei den Einheiten, die abgesessen kämpfen, ist der Zugang des Einzelschützen zum Kommunikationsnetz von großer Bedeutung, um ein umfassendes Lagebild zu erzeugen.

Voraussetzung dafür ist, dass der einzelne Kämpfer über eine für seine Aufgaben adäquate Funkausstattung verfügt. Die Bundeswehr hat diese Anforderung erkannt und für die Ausrüstung ihrer Einheiten im Rahmen des Programms „Digitalisierung Landbasierte Operationen (D-LBO)“ bereits im vorletzten Jahr eine Ausschreibung für Soldatenfunkgeräte gestartet.

Aus den dort beschriebenen Kriterien, die Anbieter erfüllen müssen, lassen sich auch grundsätzlich einige Anforderungen an den modernen Soldatenfunk ableiten. So wird in den Ausschreibungsdokumenten gefordert, dass die Bauformen des Soldatenfunksystems über eine einheitliche netzwerkfähige UHF-Wellenform im Spektrum von 225 bis 400 Megahertz verfügen soll, die den Kommunikationsbedarf eines abgesessenen Infanteriezuges einschließlich der Gruppenkommunikation abdeckt und ohne gegenseitige Beeinträchtigung Sprache, Positionsinformationen und IP-Daten parallel überträgt. Um das verfügbare elektromagnetische Spektrum effizient zu nutzen, wird der zulässige Spektrumsbedarf für ein Zugnetzwerk auf 500 Kilohertz beschränkt.

Gleichzeitige Übertragung von Sprache und Daten

Die obere Beschränkung des Spektrums auf 400 Megahertz dürfte eine besondere Forderung der Bundeswehr sein. Andere Streitkräfte legen ihre Soldatenfunkgeräte dagegen so aus, dass sie ein breiteres Spektrum abdecken, wie es aus Fachkreisen heißt. Zwar sei in einem Industrieland wie Deutschland die Nutzung von Frequenzen für Streitkräfte beschränkt. Bei Auslandseinsetzen, etwa in afrikanischen Staaten mit einer geringeren Frequenzbelegung, sorge ein breiteres Spektrum jedoch für mehr Flexibilität. Nachträglich lässt sich die Funkhardware offenbar nicht zu vertretbaren Kosten aufrüsten.

Ein typisches Charakteristikum zeitgemäßer Funktechnik ist –wie bei D-LBO verlangt – die Fähigkeit, Sprache und Daten gleichzeitig zu übertragen. Das ist unter anderem erforderlich, um das so genannte Blue Force Tracking, also die Positionsbestimmung und Nachverfolgung der eigenen Kräfte zu ermöglichen. Gerade im dynamischen Gefecht soll diese Lösung dazu beitragen, Verluste durch „Friendly Fire“ zu vermeiden. Womöglich kann die Datenübertragung auch dafür genutzt werden, Zieldaten des Gegners weiterzuleiten. Dann würde auf höherer Ebene und in Zukunft vielleicht auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz festgelegt, wem die Bekämpfung zugewiesen wird: dem Infanteristen, der die Zieldaten ermittelt hat oder einer anderen Feuereinheit. Wichtig für die Übertragung ist nicht nur die Hardware, sondern auch die Software in Form der so genannten digitalen Wellenformen zur Informationsübertragung. Um einem Nutzer möglichst viele Optionen zu bieten, sollte ein Funkgerät idealerweise nicht nur die Funk-Wellenformen des Herstellers nutzen, sondern auch mit Wellformen Dritter betrieben werden können. Dies scheint allerdings keine Vorbedingung bei der aktuellen deutschen Ausschreibung zu sein.

MANET-Fähigkeit erforderlich

Eine weitere Forderung an das neue Soldatenfunkgerät der Bundeswehr betrifft die MANET-Fähigkeit. Laut der Ausschreibung muss ein Anbieter nachweisen, dass seine Geräte in der Lage sind, eine spektral effiziente MANET-Wellenform zu nutzen und dass sie geeignet sind, hierarchische Netzwerke zur gruppen- und zuginternen Sprach- und Datenkommunikation abgesessener Infanteriezüge aufzubauen.

MANET steht für „Mobile ad hoc Network“, das sich selbst aufbaut und konfiguriert. Hierbei stellt jedes Gerät einen Kommunikationsknoten dar und arbeitet sowohl als Sender wie als auch als Empfänger. Daten würden dementsprechend von Gerät zu Gerät „hoppen“ (= multihop), bis sie beim designierten Empfänger ankommen. Diese Netze gelten als sehr ausfallsicher, da sie nicht auf direkte Verbindungen zwischen Sender und Empfänger angewiesen sind. Fällt ein Teilnehmer im Netzwerk aus, wird eine Nachricht einfach über ein anderes Funkgerät umgeleitet.

Mithilfe der MANET-Fähigkeit erhöht sich überdies die Reichweite, wenn Nutzer von entsprechenden Geräten im Raum verteilt sind. Wie aus der Industrie zu vernehmen ist,  verzichten Kunden mitunter darauf, reichweitenstärkere VHF-Geräte zu beschaffen, weil die MANET-Technologie bei richtigem Einsatz die realisierbaren Funkstrecken deutlich erhöht.

Jeder Einsatz als Relais für die Übermittlung von Nachrichten reduziert jedoch die Kanalkapazität eines MANET-Funkgerätes: das erste Relais reduziert die Kanalkapazität effektiv um die Hälfte, zwei Relais und es wird auf ein Drittel reduziert, etc. Das ist der unvermeidliche MANET Trade-off. Damit wirkt sich der Einsatz der Technologie zu Lasten der für den Nutzer verfügbaren Datenrate aus.

Weitere Anforderungen an moderne Funkgeräte für Infanteristen sind ein möglichst niedriges Gewicht und geringe Abmessungen. Denn schon jetzt ist der Soldat zu Fuß mit einer Vielzahl von Waffen und Ausrüstung bepackt, was seine Mobilität einschränkt. Ein weiterer Pluspunkt moderner Hardware ist eine lange Laufzeit bis zum Akkuwechsel oder zur Aufladung. Dabei sollte eine Stromversorgung nicht nur mittels eines im Gerät verbauten Akkus möglich sein, sondern bei Bedarf auch von einer zentralen Batterie an der Ausrüstung des Infanteristen erfolgen können.

Regional breites Einsatzspektrum

Und ganz wichtig ist natürlich die grundsätzliche Robustheit, um unter widrigen Wetterbedingungen und bei physischer Einwirkung, weiter nutzbar zu sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele westliche Streitkräfte, darunter auch die Bundeswehr, in einer klimatisch heterogenen Zone, die vom Polarkreis bis in trockenheiße Wüstengebiete reichen kann, operieren.  Dabei sollte auch die Bedienung möglichst einfach und intuitiv möglich sein, damit es unter extremen Stress- und in Gefahrensituationen nicht zum Kontaktabbruch kommt.

Tests der vergangenen Jahre haben überdies gezeigt, dass Kabel und Sprechsätze unterschiedlicher Anbieter einfach und sicher mit dem Funkgerät koppelbar sein müssen, da diese oft separat beschafft werden. So will etwa die Bundeswehr in Zukunft einen querschnittlichen Gehörschutz und Sprechsatz einführen, der mit dem neuen Funkgerät funktionieren muss. Die so genannte Plug-and-Play-Fähigkeit wird damit in Zukunft immer bedeutsamer.

Dass diese in der Praxis nicht immer leicht zu erreichen ist, haben jüngst Feldversuche bei der Bundeswehr gezeigt. Etwa wenn ein UHF-Funkgerät womöglich noch mit VHF-Funktechnik und anderen Bestandteilen eines Soldatensystems genutzt wird. Dann kann es dazu kommen, dass sich einzelnen Komponenten gegenseitig negativ beeinflussen, etwa weil die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) nicht gegeben ist. Dadurch reduzieren sich Funkreichweiten oder die Sprachverständlichkeit wird verschlechtert.

Im Gegensatz zu ziviler Funktechnik müssen militärische Geräte auch möglichst resistent gegen Störmaßnahmen des Gegners sein. Hierfür wird in der Regel das Frequenz-Hopping angewendet, das heißt, die Funkgeräte wechseln ständig ihre Sendefrequenzen. Einige Hersteller nutzen überdies einen so genannten Direct Sequence Spread, ein Frequenzspreizverfahren, das sehr geringe Sendeleistungen ermöglicht. Damit wird dem Gegner die Funkaufklärung erschwert.

Sinnvoll ist es überdies, dass eine Funkstille für die Geräte konfiguriert werden kann. Denn wenn sich eine Einheit im Ruheraum oder in einer Ausgangsstellung befindet, könnte der mit MANET verbundene regelmäßige automatische Verbindungsaufbau die eigene Position verraten.

Bei der besagten deutschen Ausschreibung für die D-LBO kommt noch eine weitere Anforderung dazu, wie aus Fachkreisen zu vernehmen ist. Demnach dürfen die Geräte nicht der US-Exportkontrolle ITAR unterliegen, was die Zahl der potenziellen Angebote begrenzt. Außerdem soll die Technik marktverfügbar sein, was lange Entwicklungsleistungen ausschließt.

Beobachter gehen davon aus, dass die zukünftigen Soldatenfunkgeräte der Bundeswehr überdies mit den für D-LBO zu beschaffenden Software-Lösungen kompatibel sein müssen. Da wäre etwa das so genannte Battle-Management-System (BMS) auf Soldatenebne, das allerdings noch nicht ausgewählt ist. Als mögliche Anbieter gelten hier Rheinmetall mit Tacnet, das beim Infanterist der Zukunft – Erweitertes System (IdZ-ES) im Rahmen des Systems Panzergrenadier im Einsatz ist, sowie die dänische Firma Systematic, von der das Heer bereits zwei Software-Lösungen für Fahrzeuge sowie Gefechtsstände nutzt. Abzuwarten bleibt, ob es beim Soldatensystem zu einer Ausschreibung kommt, oder ob ein anderer Beschaffungspfad gewählt wird. Dem Vernehmen nach stehen in Kürze finale Tests für das System IDZ-ES an, bei denen endgültig die Funktionsfähigkeit nachgewiesen werden soll.

Kompatibilität mit Middleware

Darüber hinaus sollte das zukünftige Soldatenfunkgerät auch kompatibel mit der der so genannten Middleware – auch als Tactical Core bezeichnet – der Firma blackned sein. Diese Software soll es quasi als „Betriebssystem“ ermöglichen, andere Programme, wie zum Beispiel ein BMS, auszuführen. Der Tactical Core ist in erster Linie für die Service-Bereitstellung (Speicherung, Verteilung und Verschlüsselung von Daten und Sprache), das Routing und das Netzmanagement zuständig. So soll der Tactical Core entscheiden, über welche Kanäle wie Funk oder Satellitenkommunikation eine Nachricht übertragen wird.  Dem Vernehmen nach ist jedoch in der Regel jedes IP-fähige Funkgerät mit dem Tactical Core kompatibel.

Eine andere Anforderung an militärische Funkgeräte ist die Verschlüsselungsfähigkeit. Bei der Bundeswehr muss diese vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert werden. Allerdings dürften die Anforderungen für Handfunkgeräte nicht übermäßig groß sein, da über solche Geräte in erster Linie taktische Daten übertragen werden, die sich schnell ändern. Für die D-LBO ist dem Vernehmen nach überdies vorgesehen, dass die Verschlüsselung über den Tactical Core erfolgt, weshalb nicht für jedes genutzte Soldatenfunkgerät eine separate BSI-Zertifizierung erforderlich sein soll.

Fachkreisen zufolge haben die im D-LBO-Wettbewerb verbliebenen Teilnehmer mittlerweile jeweils eine umfangreiche Zahl von Geräten der zuständigen Wehrtechnischen Dienststelle für Feldtests übergeben, wie in der Ausschreibung gefordert wird. Beobachter vermuten, dass es mindestens Elbit aus Israel sowie ein deutsch-amerikanisches Bieterkonsortium in die Endausscheidung geschafft haben könnten.

Bei letzterem haben sich Rohde&Schwarz, Rheinmetall sowie TrellisWare Technologies aus dem kalifornischen San Diego zusammengetan, wie aus Industriekreisen zu vernehmen ist. Nach Angaben des US-Unternehmens ist es darauf spezialisiert, mit seinen Wellenformen und Technologien deutlich größere MANET-Netze betreiben zu können als andere Anbieter. Die eigene MANET-Technologie sei vom U.S. Special Operations Command (USSOCOM) ausgewählt worden, so TrellisWare.

Sollten alle Schritte beim Beschaffungsprozess für das Soldatenfunkgerät nach Plan verlaufen, könnte womöglich bis Jahresende eine Auswahl und vielleicht sogar ein Vertragsschluss erfolgen, hieß es jüngst aus dem Amt für Heeresentwicklung.
lah/2.2.2022

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