Die Ende 2024 vorgestellte HX-2-Strike-Drohne des Technologieunternehmens Helsing wird derzeit im Rahmen verschiedener Vorhaben von der Bundeswehr sowie den Streitkräften Frankreichs, Großbritanniens und weiterer europäischer Staaten getestet, wie Simon Brünjes, Vice President Sales bei Helsing, am gestrigen Mittwoch vor Medienvertretern im Rahmen des ersten Helsing Media Day bekannt gab.
So präsentierte Brünjes zum Einstieg seiner Präsentation ein Video, in dem Soldaten der British Army die HX-2 auf dem britischen Übungsplatz Salisbury Plain einsetzen. Den Ausführungen des Helsing-Managers nach hat sich die Truppe dort auf einen Einsatz im Rahmen der NATO enhanced Forward Presence (eFP) in Estland vorbereitet. Auch wenn Brünjes erklärte, dass die HX-2 noch nicht regulär durch die britischen Streitkräfte beschafft wurde, dürfte die öffentliche Präsentation des Videos strenggenommen einen Hinweis auf einen potenziellen Auftrag darstellen.
Zudem bestätigte Brünjes auf Nachfrage von Medienvertretern, dass die HX-2 auch durch die Bundeswehr für Tests ausgewählt wurde – hartpunkt berichtete bereits Anfang April über die geplanten Tests. Daneben testen auch Frankreich sowie einige andere europäische Kunden das System, die er jedoch nicht weiter spezifizieren wollte.
Wie der ehemalige Bundeswehroffizier weiter ausführte, möchte die Bundeswehr die Tests bis Ende des Jahres abgeschlossen haben, um eine etwaige reguläre Beschaffungsentscheidung treffen zu können. Damit der ambitionierte Zeitplan – das Testziel ist seinen Aussagen nach die sogenannte Genehmigung zur Nutzung – gehalten werden kann, hat die Bundeswehr dem Vorhaben seiner Einschätzung nach eine hohe Priorität gegenüber anderen Projekten eingeräumt. Somit könnte der Zeitplan Brünjes zufolge kurzgehalten werden, ohne dass auf alle notwendigen Testaspekte verzichtet werden muss.
Auch der erste Einsatz der HX-2 in der Ukraine soll seinen Erklärungen nach in Kürze bevorstehen. Die ersten HX-2 sind dafür bereits an die Ukraine für Qualifizierungszwecke übergeben worden. Helsing rechnet damit, dass die Qualifizierung in wenigen Wochen abgeschlossen sein wird.
Massenproduktion der HX-2
Helsing sieht die HX-2 als Europas Antwort auf die russische Lancet, die das Unternehmen als sehr wirkungsvolles Wirkmittel ansieht. Dem Helsing-Mitgründer Gundbert Scherf zufolge hat Russland mit der Lancet die erste massenproduzierte Strike-Drohne realisiert. Helsing hat sich vorgenommen, mit der HX-2 nicht nur leistungsfähiger, sondern auch günstiger als die Lancet zu sein. Die HX-2 wurde daher von Grund auf für die Massenproduktion konzipiert, um Stückkosten im Vergleich zu herkömmlichen Systemen deutlich geringer zu halten. Scherf zufolge gibt es dazu bereits erstes Feedback aus der Ukraine, wonach der Preis der HX-2 dort als „sehr ökonomisch“ eingeschätzt wird. Wie Scherf weiter ausführt, dürfte der Grund in der Einschätzung wohl auch darin liegen, dass das Unternehmen keinen ökonomischen Profit mit der HX-2 in der Ukraine erzielt.
Helsing ist Brünjes zufolge bereits heute in der Lage, 450 HX-2 pro Monat in einer in Süddeutschland gelegenen Resilience Factory (RF-1) herzustellen. Diese Kapazität kann auf 1.000 Systeme pro Monat gesteigert werden, dazu müsste jedoch zusätzliches Personal trainiert werden. Darüber hinaus ist eine zweite Resilience Factory in Vorbereitung, welche die Gesamtmonatsproduktionsrate auf rund 2.500 HX-2 steigern könnte.
System-Desing der HX-2
Interessante Neuigkeiten gab es auch zum Systemdesign der HX-2. Die Strike-Drohne wurde gänzlich in Deutschland entwickelt, nutzt aber beispielsweise die gleiche Software, die derzeit bereits auf der HF-1-Strike-Drohne in der Ukraine in der Nutzung ist und dort stetig weiterentwickelt wird. Helsing hat die HF-1 zusammen mit einem ukrainischen Partner entwickelt. Während Helsing den Software-Anteil liefert, ist das ukrainische Unternehmen für die Hardware der HF-1 verantwortlich. Helsing zufolge wurden bereits 1.950 HF-1 an die Ukraine übergeben, „mehrere hundert“ davon, sollen bereits genutzt worden sein. Im Rahmen der gestrigen Präsentationen wurden auch Videos einiger dieser Missionen gezeigt, bei denen sowohl stationäre als auch bewegliche Ziele der russischen Streitkräfte mittels der HF-1 bekämpft wurden.
Die Erfahrungen mit der HF-1 sind Brünjes zufolge auch in das Hardware-Design der HX-2 eingeflossen, welche mit der X-Wing-Form deutlich agilere Flugmanöver ausführen kann, als dies mit dem Flächen-Design der HF-1 physikalisch möglich wäre.
Kernelement der HX-2 ist die Helsing-Aufklärungs- und Steuerungssoftware Altra die insgesamt drei KI-Fähigkeiten auf die Strike-Drohne bringt:
- Eine GNSS-Signal-unabhängigen Positionsbestimmung und Navigationsfähigkeit bei Tag und eingeschränkter Sicht. Dazu verfügt die HX-2 über eine nach unten gerichtete Kamera, die ständig „hunderte“ Geländemerkmale mit einer auf der Strike-Drohne hinterlegten Digitalkarte abgleicht und so die Position im Raum feststellt. Diese Fähigkeit erlaubt es der HX-2 trotz elektronischer Störmaßnahmen, sicher und punktgenau operieren zu können.
- Die KI-gestützte automatische Ziel-End-Anflug-Verfolgung erlaubt es der Drohne, Ziele auch dann punktgenau zu treffen, wenn der Datenlink zur Bodenstation gestört werden soll.
- Daneben verfügt die HX-2 über die sogenannte ATR-Fähigkeit. Das ATR steht für „Automatic target recognition“. Diese automatische Zielerkennungsfähigkeit der KI erlaubt es, Ziele oder andere Objekte selbstständig zu erkennen und klassifizieren. Dabei wird nicht nur auf die visuell generierten Daten zurückgegriffen, sondern auch kontextbezogene Abgleiche angestellt. Technisch wäre es Brünjes auch ohne weiteres machbar, einen Schritt weiterzugehen und auch die Bekämpfungsentscheidung der KI zu übergeben. Aus ethischen Gründen wird diese Entscheidung aber dem Menschen überlassen, was sowohl der Selbstverpflichtung des Unternehmens als auch der Forderungslage westlicher Streitkräfte nach einem „human-in-the-loop“ entspricht.
Das Hardware-Design der HX-2 orientiert sich an typischen Designmerkmalen von Lenkflugkörpern, ist aber mit erkennbar größeren, X-förmigen Flügeln und vier elektrischen Propellerantrieben an den Spitzen der vier, ebenfalls X-förmig angeordneten, Heckleitwerken anstatt eines Raketenmotors ausgestattet. Mit einem solchen Design lassen sich sowohl längere Stehzeiten und Reichweiten im Zielgebiet als auch steile Anflugwinkel realisieren. Die Reichweite beträgt Helsing zufolge 100 km. Das Systemgewicht der HX-2 wird mit 12 kg angegeben, die maximale Geschwindigkeit im terminalen Zielanflug mit bis zu 220 km/h. Die HX-2 soll Helsing zufolge mit unterschiedlichen Nutzlasten – Mehrzweck, Panzerabwehr, Anti-Struktur-Munition – bestückt werden können. Das Nutzlastgewicht kann bis zu 4 kg betragen. Der zur Verfügung stehende Nutzlastraum im vorderen Teil des Rumpfes erlaubt die Integration von Nutzlasten mit einer Länge von 310 mm und einem Kaliberdurchmesser von bis zu 110 mm. Damit dürfte die HX-2 selbst potente und zur Bekämpfung von modernen Kampfpanzern konzipierte Hohlladungsgefechtsköpfe tragen können.
Waldemar Geiger