Der zur russischen Rostec-Gruppe gehörende Kalaschnikow-Konzern hat bekannt gegeben, dass die für 2024 vorgesehene Charge von Dragunow-SVD-Präzisionsgewehren an die russischen Streitkräfte ausgeliefert wurde. Darüber hinaus kündigte das Unternehmen an, dass für 2025 eine Vervielfachung der Produktion des Gewehrs im Kaliber 7,62 x 54 mm R geplant sei. Diese Ankündigung bedeutet zugleich, dass das seit 61 Jahren eingeführte Zielfernrohrgewehr entgegen anderslautenden Verlautbarungen zumindest mittelfristig sehr wohl eine Zukunft in den russischen Streitkräften hat und die querschnittliche Ablösung durch das Nachfolgemodell mit der Bezeichnung SVCh zumindest vorerst verschoben wurde.
Laut Pressemitteilung von Rostec vom 11.09.2024 liegen für 2025 Aufträge für das SVD vor, die eine massive Produktionssteigerung erforderlich machen würden.
Das Snaiperskaja Wintowka Dragunowa bzw. Scharfschützen-Gewehr Dragunow wurde 1963 bei den Streitkräften der Sowjetunion eingeführt und seitdem vielfach exportiert und modernisiert. 1991 wurde mit der SVDS eine Version mit schwererem Rohr und dem verbesserten Gassystem vorgestellt. Hierdurch wurde die Präzision der Waffe optimiert. Die Aufnahme für ein Bajonett entfiel und eine modernisierte Optik wurde in Form der PSO-1M2 integriert.
Die Luftlandetruppe erhielt mit der SVDS-D eine eigene, kompaktere Version der Waffe. Ab den 2000er Jahren erfolgte mit der Einführung neuer Optiken wie der POPS 8x42D oder dem 1P21 Glas mit einer Vergrößerung 3-9×42 ein weitere, bedeutende Kampfwertsteigerung der Waffe. Bereits vorher wurde die ursprüngliche Holzschäftung mit fortschreitender Serienproduktion zuerst durch ein Laminat und später mit einem Polymer ersetzt. Auch die Nachtsichtgeräte der NSPU-Serie wurden im Laufe der Zeit über die seitliche Montageschiene integriert.
Dennoch schienen die Tage der SVD dauerhaft gezählt zu sein. 2017 stellte Kalaschnikow das SVCh als Nachfolger vor. Einer ansonsten dringend notwendigen weiteren Modernisierung des SVD wurde somit eine Absage erteilt und das neue Multikaliber-Gewehr, welches im Kaliber 7,62 x 54 mm R, .308 und .338 Lapua Magnum angeboten wird, schien den Vorzug zu erhalten. Das SVCh ist in der Lage, über zeitgemäße Interfaces moderne Optiken und optronische Geräte, Laserzielbeleuchter oder Signaturreduzierer aufzunehmen. Anfang 2023 wurde bekannt, dass die Erprobung in der Ukraine abgeschlossen und die Ergebnisse in die Weiterentwicklung der Waffe eingeflossen seien.
Mit der nun von Rostec verbreiteten Mitteilung wird klar, dass das SVCh auch nächstes Jahr noch nicht zur Verfügung stehen wird, bzw. nicht einmal mit einem Produktionsbeginn von relevanten Mengen zu rechnen ist. Der offenkundig rasant gestiegene Bedarf wird daher vorerst durch das Skalieren der SVD-Fertigung gedeckt.
Die Gründe hierfür können vielfältig sein. So ist es nicht ausgeschlossen, dass sich bei dem SVCh „Kinderkrankheiten“ offenbart haben, welche sich erst innerhalb eines deutlich weiter gefassten Zeithorizonts lösen lassen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Stückpreis des neuen Systems im Gegensatz zu dem SVD solch einen steilen Anstieg aufweist, dass bei den aktuellen Verlustzahlen und der in den Hintergrund gedrängte Bedeutung von Handwaffen im Ukrainekrieg eine rein wirtschaftliche Entscheidung zugunsten des betagten Models erfolgte. Schlussendlich ist auch die durch die zahlreichen Wirtschaftssanktionen entstandene Verknappung von modernen Maschinen und Werkzeugen eine mögliche Erklärung für die Entscheidung, die SVD-Fertigungsstraße weiterhin in Betrieb zu belassen und potentiell sogar zu erweitern.
Kristóf Nagy