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Heimatschutzdivision – die neue „Großbaustelle“ des Deutschen Heeres

Waldemar Geiger

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Mit der Umsetzung der aktuellen Bundeswehr-Strukturreform übernimmt das Heer die Verantwortung für den Heimatschutz und stellt dafür mit der sogenannten Heimatschutzdivision eine vierte Division auf. Auftrag der Division ist die Führung der sechs Heimatschutzregimenter, die als Teil der Territorialen Reserve bis 2026 aufgestellt werden sollen. Bis die volle „Schlagkraft“ der Division erreicht werden kann, werden sicherlich noch einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte vergehen, Gründe dafür gibt es mehrere.

Die Aufstellung der Heimatschutzdivision ist seit mehreren Monaten bekannt, sie wurde am 9. November 2024 publik, als Oberst i.G. Andreas Bleeck darüber im Rahmen der Jahrestagung der Reserve in Berlin vor den anwesenden Reservisten referierte und der Reservistenverband anschließend auf seiner Webseite darüber öffentlich berichtete. In der breiten Öffentlichkeit ist dieser Vorgang weitgehend unbemerkt geblieben, bis die Deutsche Presse-Agentur am Samstag, den 11. Januar 2025 dazu eine Meldung herausbrachte, die von zahlreichen Medien aufgegriffen wurde.

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Bis dato wurden die zur ehemaligen Streitkräftebasis gehörigen Heimatschutzkräfte von den Landeskommandos der Bundesländer geführt. Dies wird sich jedoch zum 1. April 2025 ändern, denn ab diesem Zeitpunkt greift die aktuelle Strukturreform der Bundeswehr und die Verantwortlichkeit für die Heimatschutzkräfte geht auf das Heer über.

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„Stark für die Heimat – regional vernetzt und intensiv ausgebildet: Die territoriale Reserve dient Deutschland zu Hause“, so beschreibt die Bundeswehr den Heimatschutz auf der eigenen Website. Der Hauptauftrag dieser Kräfte im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung ist die Wahrnehmung von allgemeinen Schutz- und Sicherungsaufgaben sowie Objektschutz spezifischer kritischer Infrastrukturen in Deutschland, wenn der Rest der Bundeswehr zum Einsatz an einer der Flanken des Bündnisgebietes ausrücken muss. Das Gros des Heimatschutz-Personalkörpers stellen Reservisten, die den Dienst freiwillig ableisten. Eine Einmeldung der Heimatschutzdivision in das sogenannte NATO Force Model ist gut informierten Kreisen zufolge nicht vorgesehen.

So viel zur historischen Herleitung der Nachricht und dem Auftrag des Heimatschutzes. Nun zu den Hindernissen, die ursächlich dafür sind, dass die Heimatschutzdivision noch eine ganze Weile sehr begrenzt einsatzfähig sein wird.

Fehlendes Material

Zum einen wäre da das fehlende Material.  Das Heer ist bekanntlich „blank“, so die Feststellung des Heeresinspekteurs Alfons Mais kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine. Seitdem ist die stolze Teilstreitkraft noch „blanker“ geworden, weil viel Material an die Ukraine abgegeben wurde. Es werden noch einige Jahre vergehen, bis Ersatz auf dem Hof steht. Darüber hinaus müssen die Material- und Großgerätemängel ausgeglichen werden, die das unsägliche „dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ über Jahre hinterlassen hat. Überdies muss mit der Aufstellung der für Litauen vorgesehenen Panzerbrigade 45 ein zusätzlicher Großverband neu ausgerüstet werden.

Wenn man den Aussagen von Generalleutnant Harald Gante, Kommandeur Feldheer im Kommando Heer, Glauben schenken darf, die dieser vor wenigen Wochen in einem Gastbeitrag beim CPM-Verlag geäußert hat, wird es bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts dauern, bis die Lücken geschlossen worden sind.

Da die aktive Truppe Priorität gegenüber der Reserve genießt, kann davon ausgegangen werden, dass auch die Lücken der Reserve im Allgemeinen und des Heimatschutzes im Speziellen nicht früher, sondern eher später geschlossen werden können. 

Fehlendes Personal

Eine weitere Lücke besteht beim Thema Personal. An erster Stelle muss hier erwähnt werden, dass die Aufstellung eines Divisionsstabes erhebliche personelle Ressourcen des Heeres binden wird. Für eine effektive und „kaltstartfähige“ Führungsfähigkeit der Heimatschutztruppen – schließlich soll der Heimatschutz auch im Frieden Aufträge ausführen können – wird der mit der Führung des Großverbandes beauftragte Zweisternegeneral über einen entsprechenden Stab verfügen müssen, der sich nicht nur aus Reservisten zusammensetzt.

Gleichzeitig muss konstatiert werden, dass den sechs Heimatschutzregimentern von vornherein nur eine sehr eingeschränkte Einsatzbereitschaft bzw. Schlagkraft zugerechnet werden darf. Das liegt weniger in den fehlenden Fähigkeiten oder der mangelnden Motivation der im Heimatschutz dienenden Frauen und Männer als in der Natur des deutschen Reservistenwesens, welches ausschließlich auf Freiwilligkeit beruht. Diese Freiwilligkeit hat Stärken und Schwächen. Die Stärke liegt in der Motivation und dem Engagement, mit dem der Heimatschutz seinen Dienst verrichtet. Die Schwäche liegt in der Verlässlichkeit. Viele der im Heimatschutz dienenden Freiwilligen sind auf das Wohlwollen der Arbeitgeber angewiesen und daher nicht jederzeit und schon gar nicht für längere Zeit abkömmlich. Dies erschwert den Einsatz dieser Verbände im Friedensfall, um beispielsweise im Katastrophenfall schnell aushelfen zu können.

Aber selbst im Spannungs- oder Kriegsfall wird der Einsatz nicht viel einfacher werden, da viele der im Heimatschutz engagierten Soldatinnen und Soldaten mehrere „Hüte“ auf einmal tragen, weil sie sich neben dem Heimatschutz auch in der örtlichen freiwilligen Feuerwehr oder einer Hilfsorganisation engagieren, deren Fähigkeiten im Sinne der Gesamtverteidigung ebenfalls unverzichtbar sind. Zudem arbeitet oder dient ein Teil des Heimatschutzes in der staatlichen Verwaltung, der Polizei oder einer anderen Behörde bzw. ist in der Privatwirtschaft in einem Bereich tätig, der zur sogenannten kritischen Infrastruktur zählt. Damit wären auch diese Frauen und Männer im Zweifelsfall unabkömmlich. Dem Vernehmen nach wird damit gerechnet, dass im Falle einer Alarmierung nur ein Drittel der Kräfte tatsächlich über längere Zeit hinweg verfügbar wären.

Um diese Personallücken in den Regimentern zu füllen und die Heimatschutzdivision auf längere Sicht noch weiter anwachsen zu lassen, bestand bzw. besteht dem Vernehmen nach der Plan, die Plätze im Heimatschutz mit Männern und Frauen zu befüllen, die im Rahmen der „Reaktivierung“ des Wehrdienstes zuerst Dienst in der regulären Truppe geleistet haben und nach dem Ausscheiden für eine gewisse Zeit in den Heimatschutz versetzt würden. Mit dem Zerfall der Ampelregierung wurde dieser Reaktivierung erstmal auf Eis gelegt. Wann und in welcher Form der Wehrdienst zukünftig reaktiviert wird, steht also erstmal in den Sternen.

Fehlende Fähigkeiten

Schlussendlich muss hinterfragt werden, ob die Heimatschutzkräfte heutiger Ausprägung über entsprechende Fähigkeiten verfügen, um den an sie gestellten Auftrag erfüllen zu können. Maßgeblich für diese Frage ist der Fortschritt in der Drohnenkriegsführung. Selbst eine oberflächliche Analyse des aktuellen Ukrainekrieges zeig sehr schnell, dass das von Drohnen ausgehende Bedrohungspotenzial – unabhängig davon, ob Aufklärung (Ausspähung) oder Wirkung (Sabotage) – nicht ausschließlich auf den unmittelbaren Frontverlauf begrenzt ist. Die Betrachtung der jüngsten Kriege und Konflikte im Nahen Osten – Gaza, Libanon und Syrien – zeigt zudem sehr deutlich, dass sich diese Art der Kriegsführung sehr schnell verbreitet und man entsprechend damit rechnen muss, dass die „Drehscheibe“ Deutschland im Falle eines zukünftigen Konfliktes oder Krieges mit dem Einsatz vergleichbarer Mittel zurechtkommen werden muss.

Man muss nicht Nostradamus heißen, um vorausahnen zu können, dass die zukünftige Sabotage im Hinterland weniger mittels physischer Überwindung von Zäunen und Platzierung von Sprengladungen durch verdeckt operierende Sabotagetrupps erfolgen wird, als vielmehr durch Verbringung einer Wirkladung mittels Drohnen jeglicher Art und Bauweise.

Eine besondere Bedrohung besteht für die kritische Infrastruktur, also genau jene Objekte, die durch Kräfte des Heimatschutzes gesichert werden sollen. Genau hier liegt jedoch der Hase im Pfeffer. Die Heimatschutzkräfte heutiger Ausprägung sind als leicht bewaffnete Sicherungskräfte konzipiert. Drohnenabwehrfähigkeiten sind, wenn überhaupt nur vereinzelt und in sehr begrenzter Ausprägung vorhanden. Verständlich, wo doch selbst die aktive Truppe signifikante Lücken auf diesem Gebiet aufweist.

Eine effektive Drohnenabwehr für den Heimatschutz erfordert geeignete und breitflächig verfügbare Mittel zur Detektion und Bekämpfung von Kleinst- und Kleindrohnen, die durch die Luftwaffe nicht abgefangen werden können. Mit Hinblick auf die sich sehr dynamisch entwickelnde Drohnenkriegsführung müssen diese Mittel zu dem stets auf dem neuesten Stand der Technik gehalten werden und der Einsatz damit permanent geübt werden.

Schlussfolgerungen zum Heimatschutz

Die einheitliche Führung aller kämpfenden Landstreitkräfte ist sinnvoll. Die Übernahme der Verantwortung über den Heimatschutz das Deutsche Heer ist daher konsequent. Gleichwohl hat das Deutsche Heer mit dem Heimatschutz eine Großbaustelle geerbt, deren Ertüchtigung jede Menge Kräfte und Mittel verbrauchen wird.

Wenn der Heimatschutz, ohne dass dies zu Lasten der aktiven Truppe geschieht, ernsthaft dazu befähigt werden soll, dass zu tun, wofür er vorgesehen ist, müssen die Hausaufgaben in erster Linie von der Politik gemacht werden. Benötigt werden geeignete Rahmenbedingungen für die Personalbefüllung sowie entsprechenden Haushaltsmittel zur effektiven und auftragsgerechten Ausstattung der Heimatschutzkräfte.

Waldemar Geiger