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Fusionsabsichten bei Lürssen und tkMS

Während die Verhandlungen zur Zusammenlegung des Marineschiffbaus der Bremer Lürssen Werft und German Naval Yards Kiel (GNYK) seit einem Jahr laufen und bislang offenbar wenig Substanzielles ergeben haben, könnte eine andere Option in den Fokus rücken: Die Fusion von Lürssen mit thyssenkrupp Marine Systems (tkMS).

Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, haben beide Unternehmen bereits vor geraumer Zeit ein Memorandum of Understanding (MoU) über einen solchen Schritt erarbeitet. Im Falle eines Zusammenschlusses der Marinesparte von Lürssen mit tkMS würde ein nationaler Champion im Marineschiffbau entstehen, der sowohl den Überwasser-, als auch den Unterwasserschiffbau abdeckt. Beide Bereiche sind von der Bundesregierung als nationale Schlüsseltechnologien eingestuft.

Während Lürssen in den vergangenen Jahren unter anderem durch die Übernahme von Werften wie Blohm + Voss zur größten Marinewerft für Überwasserschiffe in Deutschland aufgestiegen ist, hat sich tkMS nach dem Verkauf von Werftkapazitäten stark auf den Bau von U-Booten konzentriert. Zwar bietet das Unternehmen auch Überwasserkriegsschiffe an, diese müssen allerdings auf anderen Werften gefertigt werden. So entstehen beispielsweise die Saar-6-Korvetten für Israel in den Docks von GNYK, mit dem sich tkMS das gleiche Gelände teilt. Die Rümpfe der neuen ägyptischen Fregatten, für die tkMS einen Auftrag erhalten hat, schweißt die Rönner-Gruppe in Bremerhaven als Unterauftragnehmer zusammen. Ein wichtiges Asset für tkMS ist im Überwasserschiffbau allerdings weiterhin eine personell stark aufgestellte Konstruktionsabteilung in Hamburg.

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie sich die beiden Werften im Falle einer Fusion die Aufgaben aufteilen würden. Naheliegend wäre vermutlich, dass sich Lürssen auf Überwasserschiffe und tkMS auf U-Boote konzentriert. Die Kooperation der beiden Unternehmen hat schon eine lange Geschichte. So wurden zuletzt die Fregatten F125 in einer Arbeitsgemeinschaft zwischen beiden Werften konstruiert und gebaut, genauso wie die Korvetten der Klasse K130 des ersten Loses. Während bei den Fregatten tkMS die industrielle Führung innehatte, oblag diese Lürssen beim Korvetten-Projekt. Beim zweiten Korvetten-Los ist zusätzlich noch GNYK in die Arbeitsgemeinschaft eingetreten.

Bei einem Zusammenschluss von Lürssen und tkMS wäre auch das U-Boot-Geschäft Bestandteil der neuen Gesellschaft. Dem Vernehmen nach soll die Bremer Werft in der Vergangenheit einer solchen Konstellation eher ablehnend gegenübergestanden haben, hat aber offenbar seine Einstellung geändert.

Außerdem stellt sich die Frage, welche Rolle der Staat bei einem solchen National Champion übernehmen würde, dessen gesamtes Portfolio als Schlüsseltechnologie eingestuft ist. Beim Sensor- und  Elektronik-Konzern Hensoldt hat sich der Bund kürzlich mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent erstmals an einem Rüstungsunternehmen beteiligt –  wohl um einen nationalen Zugriff zu gewährleisten. Ein Großteil des Hensoldt-Portfolios gilt zählt nämlich ebenfalls zur nationalen Schlüsseltechnologie.

Im europäischen Marineschiffbau ist eine Staatsbeteiligung oder eine starke staatliche Einflussnahme eher die Regel als die Ausnahme. Das gilt etwa für die mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche französische Werft Naval Group, Navantia in Spanien oder Fincantieri in Italien. Da ein echter Wettbewerb in der EU aufgrund dieser Unternehmensstruktur kaum möglich ist, dürfte auch für einen deutschen Werftkonzern eine Staatsbeteiligung zur Wahrung der nationalen Interessen ein deutlicher Vorteil, vielleicht sogar eine Vorbedingung sein. Diesbezüglich soll es im Rahmen des MoU auch Vorschläge geben.

Das Verteidigungsministerium teilte auf Anfrage mit, dass es sich zu etwaigen industrieseitigen Vereinbarungen nicht äußert. Ob daraus geschlossen werden kann, dass sich der Bund an einem Werftenkonzern nicht beteiligen würde, ist unklar. Es hört sich allerdings so an. Beobachter gehen davon aus, dass dem Staat eine Schlüsselrolle zukommen dürfte, damit sich die beiden Werftkonzerne letztendlich zu einer Fusion entschließen. Die Signale, die zuletzt vom Wirtschafts- und Verteidigungsministerium in Hinblick auf die Stützung des Schiffbaustandorts Deutschland kamen, werden in Branchekreisen als enttäuschend bezeichnet.

Vor dem Hintergrund eines internationalen Marktes, auf dem vermehrt neue Player aus Ländern wie Korea oder China auftreten, wird der deutsche Marineschiffbau vermutlich nur dann eine Zukunft haben, wenn er sich konsolidiert und damit die notwendige Größe erreicht, um Skaleneffekte zur realisieren und gleichzeitig die gegenseitige Konkurrenz beendet. Im europäischen Rahmen dürfte dies die Vorbedingung sein, um langfristig nicht von größeren Rivalen mit staatlicher Rückendeckung geschluckt zu werden.

„Aus Sicht des Bundesministeriums der Verteidigung werden mittel- bis langfristig weitere Schritte zur engeren Zusammenarbeit sowie zur Konsolidierung zwischen den Marineschiffbauunternehmen in Europa erforderlich sein, um den Erhalt sicherheits- und verteidigungspolitisch notwendiger industrieller Kapazitäten dauerhaft zu gewährleisten“, machte eine Sprecherin des BMVg die  Position ihres Hauses klar.  Hierbei werden ihrer Aussage zufolge auch maritime Kooperationsprojekte zwischen den Regierungen einen gewichtigen Faktor darstellen.

Kommt es zur keiner nationalen Marktbereinigung in Deutschland, könnte es bei den angesprochenen multinationalen Projekten in der EU zu erheblichen Friktionen kommen. So soll etwas das deutsch-französische Projekt eines Main Ground Combat Systems im Landbereich im Augenblick unter anderem deshalb stocken, weil die zugrundliegende Industriestruktur Entscheidungen verkompliziert. So ist auf französischer Seite der staatliche Panzerbauer Nexter als nationaler Champion gesetzt, während für Deutschland die privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen KMW und Rheinmetall antreten, wobei sich KMW mit Nexter zu KNDS zusammengeschlossen hat.

Beobachter gehen davon aus, dass die tkMS-Mutter ThyssenKrupp langfristig nach einer Stärkung der Schiffbausparte durch die Kooperation mit schlagkräftigen Partnern sucht. So hat das Unternehmen seine Fühler bereits im vergangenen Jahr nach Italien ausgestreckt und ein Zusammengehen mit Fincantieri diskutiert.

Für den Marinezweig von Lürssen könnte eine Fusion mit tkMS womöglich die Nachfolgefrage lösen. Denn der bislang für die „grauen Schiffe“ zuständige Friedrich Lürßen, der das Unternehmen zusammen mit seinem für das Yachtgeschäft zuständigen Cousin Peter Lürßen führt, hat sich formal als Geschäftsführer zurückgezogen, ohne einen Nachfolger aus der eigenen Familie zu präsentieren.

So sind im Augenblick neben Peter Lürßen weitere sieben Geschäftsführer für die Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG – zu der unter anderem Blohm + Voss gehört – tätig. Für die Marinesparte trat kürzlich Tim Wagner bei der Nationalen Maritimen Konferenz in einer Diskussionsrunde auf. Daneben ist bereits seit mehr als einer Dekade der ehemalige tkMS-Manager Klaus Borgschulte als Managing Director bestellt.

Sollte es tatsächlich zur Gründung eines nationalen Champions kommen, stellt sich die Frage, was mit der hundertprozentigen tkMS-Tochter Atlas Elektronik geschehen wird. Das Systemhaus mit Kompetenzen unter anderem in den Bereichen Führungs- und Waffeneinsatzsysteme (FüWES), Torpedos, Seeminenabwehr, Sonartechnik und Kommunikation ist auf vielen Schiffen der Deutschen Marine vertreten. Mit Kongsberg hat Atlas Elektronik das Joint Venture kta gegründet, das alle FüWES für die U-Boote von tkMS entwickelt. Gerade im Unterwasserbereich dürfte die Expertise des Systemhauses für tkMS von großer Bedeutung sein. Und generell gilt in der Branche, dass die Verknüpfung des Know-hows von Systemhäusern mit den Fähigkeiten der Bauwerften für den Erfolg des Marineschiffbaus von großer Bedeutung ist.
lah/21.5.2021

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