Trotz Corona-Krise plant die norwegische Regierung eine Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren, um 2028 das Ziel von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt zu erreichen. Das geht aus dem am vergangenen Freitag dem norwegischen Parlament vorgelegten Langfrist-Plan des Verteidigungsministeriums hervor.
Indirekt nimmt der Plan auch Bezug auf das norwegisch-deutsche U-Boot-Vorhaben. So sollen nach Vorstellungen der Regierung die sechs Boote der Ula-Klasse durch vier neue Boote des mit Deutschland zu entwickelnden Typs 212 CD bis etwa 2030 ersetzt werden. Der im vergangenen Jahr vom Chef der Streitkräfte gemachte Vorschlag zur Beschaffung eines fünften Bootes wurde nicht aufgenommen. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass ein zusätzliches Boot kaum noch realisierbar sein dürfte.
Gut informierten Kreisen zufolge machen die Verhandlungen zum Typ 212 CD zwischen der Bauwerft tkMS und den norwegischen und deutschen Beschaffern unterdessen Fortschritte. Es mehren sich jedoch Stimmen, die einen Vertragsschluss erst im kommenden Jahr erwarten. Bislang war Insidern zufolge die parlamentarische Befassung in Deutschland nach der Sommerpause vorgesehen.
Parallel zum U-Boot-Projekt will das BMVg die Naval Strike Missile (NSM) von Kongsberg für die Deutsche Marine beschaffen. Neben einer Anzahl der aktuellen Variante NSM Block 1 als Ersatz der veralteten Harpoon soll dem Vernehmen nach von beiden Ländern ein völlig neuer Seezielflugkörper als Nachfolger der aktuellen NSM entwickelt werden. Während auf norwegischer Seite Kongsberg im Lead sein dürfte, kommen auf deutscher Seite insbesondere die Unternehmen Diehl und MBDA Deutschland in Frage. Beide Systemhäuser haben bereits eine verstärkte Kooperation beim Thema Hyperschall-Flugkörper angekündigt. Ein Thema, was nach Einschätzung von Insidern auch für das norwegisch-deutsche Vorhaben von Interesse sein dürfte. Bei früheren Entwicklungsarbeiten zu Hyperschall hatte die deutsche Amtsseite bereits einen Fokus auf Seezielflugkörper gelegt.
Da im Rahmen des geplanten Forschungs- und Entwicklungsvorhabens die Verteidigungsministerien in der Regel umfangreiche Mittel bereitstellen, dürften sowohl MBDA als auch Diehl ein starkes Interesse an der Teilnahme haben, wie Beobachter vermuten. Erste Gespräche zwischen den Unternehmen sollen bereits stattgefunden haben.
Im Falle von Diehl wird mit Spannung erwartet, ob sich eine Beteiligung an dem bilateralen Vorhaben mit der Zusammenarbeit mit dem schwedischen Saab-Konzern verträgt. Saab und Diehl bauen gemeinsam in einer exklusiven Partnerschaft den von Saab entwickelten Seezielflugkörper RBS 15 – ein Konkurrenzprodukt zur NSM. Aus strategischer Sicht dürfte es Saab alles andere als gelegen kommen, wenn sein deutscher Partner an einem Zukunftsprojekt im gleichen Segment arbeitet, von dem es selbst ausgeschlossen ist. Das sähe bei einer eigenen Beteiligung an dem Vorhaben vermutlich anders aus. Allerdings gilt das Verhältnis zwischen Kongsberg und Saab nicht als besonders herzlich.
Unterdessen hat das US State Department die Beschaffung einer größeren Zahl von Marinehubschraubern des Typs MH-60 R inklusive Ausrüstung und Bewaffnung durch die indischen Streitkräfte gebilligt. In dem Paket enthalten ist offenbar auch die Integration der NSM auf den Hubschrauber. Das dürfte Kongsbergs Position beim Angebot eines Seezielflugkörpers für die Bordhubschrauber Sea Tiger der Deutschen Marine verbessern. Denn ein erheblicher Teil der Kosten für die Integration der NSM auf einen Drehflügler würde von den indischen Streitkräften getragen.
Dem Langfrist-Plan der norwegischen Regierung zufolge wird nach dem Verlust der Fregatte Helge Ingstad in Folge einer Havarie vom Kauf eines Ersatzschiffes abgesehen. Es bleibt damit beim Bestand von vier Fregatten. Gleichzeitig will das Verteidigungsministerium in Oslo die Skjold-Korvetten bis zum Jahr 2030 statt wie bislang geplant nur bis 2025 nutzen. Beim langfristigen Ersatz der heutigen Überwassser-Kampfschiffe der norwegischen Marine könnten sich womöglich auch Möglichkeiten der Kooperation zwischen Norwegen und Deutschland auftun, schätzen Beobachter. Geschäftschancen ergeben sich auch bei der Modernisierung des norwegischen Heeres und der Luftwaffe: Hier sollen laut Langfrist-Plan ab 2025 neue Kampfpanzer beschafft und die 18 betagten Hubschrauber des Typs Bell 412 durch modernere Maschinen ersetzt werden.
lah/22.4.2020